Der Müggelheimer Festumzug und seine geschichtliche Bedeutung

Von Simon Genzler

HEIMATVEREIN (2)

Auch dieses Jahr ist das Angerfest nach drei aufregenden Tagen zu Ende gegangen. Besonders der Höhepunkt des Festes wird vielen noch lebhaft vor Augen stehen: unser bunter, fröhlicher Festumzug, der jedes Jahr Besucher wie Teilnehmer in seinen Bann schlägt. Doch woher kommt diese allseits beliebte Tradition? Ich möchte diese Frage zum Anlass nehmen, ein wenig in die Geschichte Müggelheims abzutauchen. 
Alles begann im Jahr 1747, als die zwanzig ersten Siedler-Familien das wilde Land südlich des Großen Müggelsees erreichten. Sie hatten eine lange und beschwerliche Reise hinter sich, schließlich kamen sie aus der Gegend um Odernheim im heutigen Rheinland-Pfalz. Der Mangel an Verdienstmöglichkeiten, verbunden mit drückender Armut, hatte viele dieser Pfälzer auf den Gedanken gebracht, nach Pennsylvania in Amerika auszuwandern. Doch dann erhielten sie von Friedrich II., genannt „der Große“, ein verlockendes Angebot. Das aufstrebende Königreich Preußen brauchte fleißige Bauern für den sandigen Boden Brandenburgs. Als zusätzliches Lockmittel sollten die Pfälzer eine ganze Reihe von Privilegien erhalten und konnten sich mit Beschwerden direkt an ihren aufgeklärten Landesherren wenden.
Diese Geschichte sehen wir in unserem Festumzug dargestellt: Die glücklichen, pfälzischen Bauern mit Strohhüten und einfacher Kleidung. Viele tragen ihr Arbeitsgerät über der Schulter. Mit ihnen zieht die Lebensfreude des Rheinlandes in der Mark Brandenburg ein. Unter ihnen läuft, an der lockigen Perücke und der schwarzen Uniform leicht zu erkennen, der Alte Fritz. Dieser König von Preußen ließ es sich schon zu Lebzeiten nicht nehmen, auch persönlich bei seinen Untertanen vorbeizuschauen.
Doch zu der fröhlichen Lebensart der Pfälzer gehört natürlich auch eine Spezialität aus ihrer alten Heimat. Es ist der Wein, der zu einem so heiteren Anlass gerne und viel getrunken wird. Nicht ohne Grund zieren die Weintrauben neben Fisch und Ähre das Ortswappen von Müggelheim. Der Wein ist ein Symbol der Lebensfreude, die man auf dem Angerfest auch überall spüren konnte.
Eine damit verbundene Tradition aus der Pfalz ist der Christoffelstrunk, den wir bei unserem Festumzug mit uns führen. Dabei handelt es sich um ein mit Laub geschmücktes Weinfass, das alljährlich von einer Ziege um den Dorfanger gezogen wird und dabei die Feiernden mit seinem Inhalt versorgt. Hierin liegt der Ursprung unseres alljährlichen Festumzugs.
Wie jedes Jahr nahmen auch unser Bezirksbürgermeister Oliver Igel und sein Amtskollege Achim Schick aus Odernheim an dem Umzug teil. Auf einer prächtigen Kutsche sitzend, winkten sie fröhlich mit ihren Weinbechern, während die Disibodenberger Blaskapelle aus der Pfalz den Umzug hervorragend untermalte.
Jedes Jahr gehört auch die preußische Garde in blauen Uniformen und mit Pickelhaube auf dem Kopf zum Festumzug. Für manche sind sie ein prächtiger Anblick, der an den Glanz der deutschen Kaiserzeit erinnert. Andere sehen in ihnen ein Sinnbild für den preußischen Militarismus. Doch das Angerfest sollte kein Anlass für derartige Streitereien sein, denn hinter der Garde verbirgt sich eine Geschichte, die bis heute Jung und Alt zum Lachen bringt. Kein anderer als unser allseits beliebter Hauptmann von Köpenick führt die Garde an. Kaum ein anderer Berliner hat seinen Zeitgenossen auf so unvergessliche Weise den Spiegel vorgehalten wie dieser Schelm. Sicher haben auch die Müggelheimer gelacht, als sie 1906 von seiner „Köpenickiade“ gehört haben.
Eine weitere historische Persönlichkeit lief ebenfalls dieses Jahr beim Umzug mit. Es ist der Bauernsohn Johann Jacob Baeyer (1794-1885), der durch seinen Fleiß und seine Klugheit zu einem der bedeutendsten Geodäten seiner Zeit aufstieg. Jedes Mal, wenn wir einen Atlas aufschlagen, ein Auto-Navi oder Maps auf dem Handy verwenden, können wir diesem großen Müggelheimer dankbar sein.
Was viele nicht wissen: Johann Jacob Baeyer war in seiner Jugend ein begeisterter Turner! Auch in dieser Hinsicht folgen die Müggelheimer seinem Vorbild und betätigen sich in vielen Sportarten. Ob Kanu, Segeln, Ballett oder Karate… In unserer Vereinslandschaft ist für jeden etwas dabei. Und stolz zeigten dies Jung und Alt beim diesjährigen Festumzug.
Ein besonderes Lob gilt auch unserer mutigen Feuerwehr. Seit 1926 steht die Feuerwache am Krampenufer und gibt uns Müggelheimern ein Gefühl der Sicherheit. Nicht selten finden auf dem Gelände der Feuerwehr aber auch Events statt und auf den Fleiß der freiwilligen Feuerwehr können wir wirklich stolz sein.
Noch älter als unsere Feuerwehr ist die Dorfkirche im Zentrum des Angers. Diese feiert dieses Jahr ihr 220-jähriges Jubiläum und aus diesem Anlass wurde ein Modell des Gebäudes mitgeführt. Die allseits beliebte Pfarrerin Anke Schwedusch-Bishara lief ebenfalls mit und schob freundlich lächelnd ihr „Pfarr-Rad“.
Und wie jedes Jahr waren auch die Kleinsten mit dabei. Wenn man die Kinder der Kita Bienenhaus im Festumzug gesehen hat, braucht man sich keine Sorgen um die kommenden Generationen von Müggelheimern zu machen. Diese fleißigen Bienchen gehen mit neugierigen Augen durch die Welt und sind bereit für die Herausforderungen des Lebens. Vielleicht können sie die Geschichten der Vergangenheit anregen, mit Fleiß und Lebensfreude in die Zukunft zu schreiten.
Alles in allem sehen wir also, dass der Festumzug eine wertvolle Tradition des Angerfests ist. Er erinnert uns daran, mit einem Lächeln durchs Leben zu gehen und führt uns vor Augen, welche erstaunliche Entwicklung das kleine Dorf von 1747 bis in die heutige Zeit erlebt hat. Ich spreche hiermit einen großen Dank an den Heimatverein aus und an alle, die jedes Jahr diesem schönen Schauspiel beiwohnen.