„EISZEIT – EISENZEIT”
Gabriele Krone-Schmalz über Russland und den Krieg
Von Horst König
Schon eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn war am Montag, den 29. April der Saal im Kulturhaus Rüdersdorf voll besetzt mit Menschen, die gekommen waren, um die Journalistin und Publizistin Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz zu hören und zu sehen.
Dabei war bei dem, was die Journalistin sagte, manches schon bekannt aus ihren Büchern und vorherigen Vorträgen. Doch ihre Zuhörer im vollen Saal waren erkennbar froh, etwas zu hören, was nicht in den antirussischen Chor der Kriegsbefürworter passt.
Krone-Schmalz berichtet von ihren Erfahrungen als Moskau-Korrespondentin und als Beobachterin der Entwicklung in Russland.
Sie weist daraufhin, „dass man etwas verstehen muss im Sinne von begreifen, bevor man zu einer tragfähigen Entscheidung kommen kann”. Und, „dass Verstehen nicht automatisch Verständnis haben bedeutet”. Diese Erkenntnis scheine „offenbar schon eine ganze Weile abhanden gekommen zu sein”, stellte sie fest. „Wie sonst ist es zu erklären, dass solche Begriffe wie Russland-Versteher oder Putin-Versteher heutzutage dazu führen, dass jemand für undiskutabel gehalten wird?”, fragte sie. Und machte außerdem auf den Unterschied zwischen Erklären und Rechtfertigen aufmerksam, was derzeit immer wieder vermischt werde. „Erklärungen stellen für sich genommen einen Wert dar und sollten nicht zur Unterkategorie von Rechtfertigung degradiert werden. Das vergiftet jede inhaltliche Auseinandersetzung und führt zu völlig unnötiger Polarisierung, die zwangsläufig in der Sache zu nichts führt.”
Es ist unmöglich, in einem kurzen Bericht den gesamten Inhalt des Vortrages von Krone-Schmalz wiederzugeben. Unter anderem wies sie darauf hin, dass es wichtig sei, die Chronologien und Vorgeschichte von Ereignissen zu kennen, um die Realität begreifen zu können. Das sei notwendig, „wenn man an einer tragfähigen Lösung für die Zukunft ernsthaft interessiert ist. Denn in dieser Lösung müssen sich alle Beteiligten irgendwie wiederfinden, wenn es funktionieren soll.”
Die Russland-Expertin sprach sich weiterhin auch für den Versuch aus, die Ukraine zu verstehen: „Und auch hier ist Verstehen nicht mit Verständnis haben identisch beziehungsweise umgekehrt.” Sie fügte hinzu: „Wer so vehement uneingeschränktes Verständnis und ebensolche Unterstützung für die Ukraine äußert, hat die Ukraine vielleicht gar nicht richtig verstanden.”
Die Journalistin spannte in ihrem Vortrag einen weiten Bogen bis hin zur bedrohten Meinungsfreiheit in der Europäischen Union (EU), der Rolle der Sprache im Kampf gegen Propaganda und der Rolle der Medien. Sie machte auf die Schieflage von Berichterstattung aufmerksam, „wegen der katastrophalen Auswirkungen auf Krieg und Frieden”. Das zeige sich durch die Orientierung auf Schlagzeilen zu Lasten von Zusammenhängen und den Drang nach eindeutigen Aussagen statt komplexer Erklärungen.
„Mündige Bürger sind in einer Demokratie systemrelevant”, betonte Krone-Schmalz. „Ein mündiger Bürger muss in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, zu wählen, die Konsequenzen seiner Entscheidung zu überblicken und dafür dann auch die Verantwortung übernehmen. Wenn das nicht der Fall ist, dann taugt die Demokratie nicht mehr. Die Voraussetzung dafür, fundierte Entscheidungen treffen zu können, ist, so umfassend wie möglich informiert zu sein, über Hintergründe Bescheid zu wissen, Zusammenhänge zu erkennen.”
Frieden sei kein Selbstläufer, sondern harte Arbeit, nach innen wie außen, sagte sie. Und forderte „inhaltliche Auseinandersetzung mit faktenbasierten Meinungen” sowie „streitbare, respektvolle Debatten um die besten Lösungen” ein.
Mit Blick auf Russland machte sie klar, dass wir weiter mit dem großen Land im Osten zu tun haben werden. Vertrauen wieder aufzubauen, sei eine „Kärrnerarbeit”, stellte die Journalistin fest. Und fragte: „Wann dämmert es den Ukrainern endlich, dass sie auf dem Altar geopolitischer Interessen geopfert werden?” Wer den Ukrainern wirklich helfen wolle, der müsse dafür sorgen, dass dieser Krieg beendet werde. „Jetzt sind Diplomaten gefragt. Wir brauchen politische Pläne. Militärische reichen nicht.”
Sie beendete ihre Ausführungen mit einem Zitat von Montesquieu, der sinngemäß gesagt hat, man dürfe in Sachen des Krieges nicht die offensichtlichen Ursachen mit den tieferen Ursachen verwechseln und man dürfe diejenigen, die den Krieg ausgelöst haben, nicht mit denjenigen verwechseln, die ihn unvermeidlich gemacht haben.