Inaktivität verkürzt die Lebenszeit

Von Medizinalrat Dr. Rolf Förster – Facharzt für Sportmedizin

Fortsetzung aus November

Beim Training geht es nicht nur darum Muskeln aufzubauen. Es geht auch darum, das Hirn fit zu halten. Während man früher gesagt hat „Wer es nicht im Kopf hat, muss es in den Beinen haben“, muss es heute heißen: „Wer es in den Beinen hat, hat es auch im Kopf!“

Eine Frage steht allerdings im Raum: Ist Laufen eine Qual für Knie-und Sprunggelenke? Zugegeben: Alles hat zwei Seiten. Nicht jeder durch den Stadtpark schnaufende Jogger macht einen glücklichen Eindruck und 30-40 Prozent tragen eine lauf- assoziierte Verletzung davon. Häufig sind es Überlastungsreaktionen. Besonders oft betroffen ist das Kniegelenk. Außer den seltenen akuten Verletzungen durch Stürze oder Fehltritte stehen bei den Langstreckenläufern eben die chronischen Verletzungen im Vordergrund. 

Unberechtigt ist allerdings die Angst, durch das Laufen vorzeitig Arthrose zu bekommen. Allgemein führt nicht die sportliche Betätigung an sich, sondern das Sporttrauma vermehrt zur Arthrose. Erschwert wird allerdings die Aussage des geringen Zusammenhangs von Laufen und Arthrose durch die Vielzahl der möglichen Einfluss-Faktoren, die mitberücksichtigt werden müssen: u.a. das Laufgelände, Laufschuhwerk, Barfuß-Laufen, Laufgeschwindigkeit, Laufstil, Alter, Gewicht und Gesundheitszustand, anatomische Verhältnisse, wie O- und X-Beine, Laufuntergrund (Asphalt, Waldboden, Kunststoff-Bahn)  So wurden bei den Studien Läufer, die aufgrund gesundheitlicher Probleme ihr Training aufgegeben haben, nicht erfasst. Unstrittig ist, dass Übergewicht eine wesentliche Ursache der primären Knie- und Sprunggelenkarthrosen ist. Hier gibt es aber genügend Ausdauersportalternativen.

Da stellt sich die Frage, wie man Sport treiben sollte, damit er uns den besten Nutzen bringt. Viele Menschen betreiben Sport in einer weniger nutzbringenden, sogar schädlichen Form. Am besten bekommt einem regelmäßiger Freizeit-Ausdauersport. Er stärkt den Kreislauf und die gesamte Kondition und baut auf die einfachste Art und Weise Stress ab und sorgt vor allem für eine ökonomische Herzarbeit (niedriger Ruhepuls). Tatsächlich macht Sport Spaß, jedenfalls dann, wenn man ihn langsam angeht und achtsam auf seinen Körper hört. Im Vordergrund sollte das Vergnügen an der Bewegung stehen, die man schafft ohne sich gleich total erschöpft und ausgepumpt zu fühlen. Dann nämlich würde man gegen die eigene Motivation arbeiten und der Schuss geht nach hinten los. Die Lust auf Bewegung ist bald verflogen und man findet eine Menge Gründe, weshalb man für sein Bewegungsprogramm „heute keine Zeit hat“, „das Wetter zu schlecht ist“ etc. 

Natürlich sollte die gewählte Sportart passen. Letztlich ist es gleichgültig welche Sportart man wählt, solange man sich dabei wohlfühlt und keine regelmäßigen Schmerzen dabei auftreten. Wer an Übergewicht leidet, sollte unbedingt eine gelenkschonende Sportart wie Schwimmen, Rudern oder Skilanglauf wählen. Zur passenden Ausrüstung gehört neben gut gedämpften Laufschuhen auch die richtige Kleidung. Funktionswäsche hält auch beim Schwitzen warm, ist gut durchlässig und trocknet schnell am Körper. Beim Fahrrad kann eine falsche Einstellung von Lenker und Sattelhöhe etc. zu haltungsbedingten Schmerzen führen.

Wie sollte die Belastung richtig durchgeführt werden? Ein halbstündiges Training zweimal pro Woche ist ein guter Einstieg, am besten mit ein paar Tagen Pause dazwischen, damit sich der Körper an die neue Belastung gewöhnen kann. Idealerweise richtet man sich sein Training so ein, dass man sich danach ein halbes Stündchen Ruhe gönnen kann. Fitnesscenter mit Sauna, Dampfbad oder Whirlpool bilden eine ideale Alternative dafür. Gesund trainieren kann man  nur im sogenannten aeroben Bereich, also einer Belastung, in der unser Körper seinen Energiebedarf vollständig durch den Sauerstoff-Stoffwechsel decken kann. Wird dieser überschritten, entstehen vermehrt Milchsäure im Blut und der Körper übersäuert. Wo dieser Grenzbereich stattfindet, kann ein Sportarzt mit entsprechenden Apparaturen genau feststellen. 

Wie ist es mit der Herzfrequenz? 

Als Faustregel gilt, dass man die körperliche Belastung nicht über 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz (MHF) führen sollte. Diese errechnet sich durch die Formel 220 minus Lebensalter. Die MHF einer 40-jährigen Frau läge also bei 180, ihre maximale Belastung demnach bei einem Puls von 153 ( 85% von 180). Je nach Trainingsziel gelten folgende Regeln: 50 bis 60 Prozent der MHF stabilisieren die Gesundheit, 60 bis 70 Prozent beschleunigen den Fettabbau, 70 bis 85 Prozent kräftigen das Herz und steigern die Fitness. Einfacher kann man sagen, dass ein guter Ausdauerpuls erreicht ist, wenn man 180 minus Lebensalter des Patienten berechnet. Also bei 60 Jahren wäre dies ein guter, milder Ausdauerpuls von etwa 120 Schlägen (kurz stehen bleiben, mit 3 Fingern an der Halsschlagader 6 sec den Puls messen und mit 10 multiplizieren). Zusätzlich kleine Kraftübungen aktivieren den Stoffwechsel, beugen Gelenk- und Rückenbeschwerden vor und verbessern unsere Haltung (Übungen sollen vor allem die Bauch-, Gesäß-, die Arm-, die Brust und die untere Rückenmuskulatur stärken).

Die großangelegten Untersuchungen sollte uns Anlass sein, wenigstens die milden Ausdauersportarten wie Wandern, Warking, Radfahren, Skilanglauf, Schwimmen, Rudern wieder intensiver zu betreiben. Eine Mischung aus Ausdauertraining und moderaten Kraftübungen eignen sich am besten, um Volks- und Alterskrankheiten wie erhöhtem Blutdruck, Diabetes, Arthrose oder Übergewicht vorzubeugen.

Übrigens hat moderates Muskeltraining noch weitere, besonders im Alter wünschenswerte Effekte auf die Gesundheit: Durch gezielte körperliche Belastung lässt sich die Ausschüttung von Hormonen stimulieren, die im Verlaufe des Lebens abnimmt. Eine Steigerung des Hormon-

niveaus wirkt oftmals wie ein Jungbrunnen. Außerdem sind Muskeln der wichtigste Ort für die Verbrennung von Körperfett.

Sportmedizinische Erkenntnisse werden heute in zahlreichen Fachdisziplinen (z.B. Kardiologie, Orthopädie, Pädiatrie, Onkologie) als Therapiekonzept umgesetzt, wo dann Sport, Bewegung und körperliche Aktivität einen wichtige Platz auch in Prävention und Rehabilitation einnehmen. Bewegung ist eben Medizin! 

Eine amerikanische Langzeitstudie, die Probanden über 80 Jahre beobachtete, sagt aus, Karriere ist gut für die Gesundheit! Nicht die Entspanntesten, sondern die Produktivsten leben am längsten – also auch diejenigen, die Erfolg im Beruf haben. Die Erfolgreichen verdankten ihre Langlebigkeit ihrer Gewissenhaftigkeit und ihrer Diszipliniertheit. Ehrgeiz kombiniert mit Ausdauer, Kontaktfreudigkeit (Teamgeist), Selbstbeherrschung und hoher Motivation waren dabei nicht nur leistungsfördernd sondern unverzichtbar für ein vitales Arbeitsleben. Ein gutes Schutzschild gegen Stress am Arbeitsplatz schien, anderen gegenüber nicht allzu kritisch eingestellt zu sein, Streit aus dem Wege zu gehen und nicht immer seinen Kopf durchsetzten zu wollen. Wer das beherzigte, blieb meist gesünder und lebte länger.

Stress ist übrigens nicht gleich Stress. Positiver Stress wird als Eustress, negativer als Disstress bezeichnet. Jeder Mensch benötigt von Zeit zu Zeit Herausforderungen und Erfolgserlebnisse. Diese mit Erfolg gekrönten Anstrengungen im Berufsleben oder in anderen Bereichen machen sich eben als Eustress bemerkbar. Wer ständig   unterfordert ist und z.B. im Büro die Stunden zählt, bis er wieder nach Hause gehen kann, ist müde, lustlos und frustriert.

Die Studie sagt eindeutig aus, dass die kontinuierlich Produktiven sehr viel länger lebten als ihre Altersgenossen, die keinerlei Ehrgeiz mehr entwickelten und ihre Ruhe „genossen“. Viel Bewegung schützt eben vor psychischer Überlastung und wer ausreichend Bewegung in seinen Alltag integriert, profitiert davon – körperlich, seelisch und sozial. Medikament Sport zur günstigen Beeinflussung von Körpergewicht und Fettstoffwechsel, Steigerung der Infekt- abwehr, Verminderung des Krebsrisikos, Erhöhung der Knochenmasse, Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit – was wollen wir mehr? Und denken wir an die vielen Patienten mit koronaren Herzerkrankungen: In einer umfangreichen Studie war bei ihnen das Sterblichkeitsrisiko bei regelmäßigem Herzsport um 41 Prozent reduziert. Bei Patienten, die eine Aufdehnung der Herzkranzgefäße mit Stentimplantation erhielten, erwies sich Gefäßtraining für den Schutz vor Herzkreislaufereignissen und beim Überleben im Vergleich als mindestens ebenbürtig, in einer anderen Studie sogar als überlegen. 

Vom Heilmittel Bewegung kann also jeder profitieren. Doch sollte zu Beginn der ersten Trainingseinheiten ein ärztlicher Check stehen, um gesundheitliche Risiken während der Aktivität – insbesondere aus kardiologischer Sicht – auszuschließen.

Beim Laufen hilft es vielen Menschen, in einer Gruppe im Quassel-Tempo zu laufen. (3 x L-Regel: „Lange langsam Laufen“) Wer nett quasselt und die Natur noch wahrnehmen kann, vergisst die Zeit – und hat auch gleich das richtige Tempo. „Laufen ohne zu schnaufen“. Also nehmen wir uns z.B. die  „LAUFMAMALAUF “–Bewegung zum Vorbild und bewegen wir uns wie diese Mütter, die gemeinsam mit Kind und Kinderwagen losziehen und in 60 Minuten ein umfassendes Programm aus Walking, Kräftigungsübungen für Bauch, Beine, Po und Rücken kombiniert mit Dehnungsübungen absolvieren. Und nur wer wirklich Spaß und Freude an der Bewegung entdeckt, wird dauerhaft dabei bleiben. Wer sich regelmäßig bewegt lebt eben länger und glücklicher und hat eine bessere Lebensqualität: Sport steigert das Wohlbefinden, er macht zufriedener, ausgeglichener und hebt die Stimmung. Das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen lässt sich durch Sport um etwa 40 Prozent senken, auch das Diabetesrisiko sinkt deutlich.

Beides ist vor allem durch Muskeltätigkeit zu erklären: Die Muskulatur nimmt besser Zucker auf und verbrennt auch mehr davon – das ist gut für den Kohlehydratstoffwechsel. Durch die Bewegung ist die Muskulatur außerdem besser durchblutet. Das hat zur Folge, dass der Blutdruck und die Herzfrequenz sinken und die Organe gut arbeiten können. Mit der Durchblutungssteigerung hat es vermutlich auch zu tun, dass regelmäßige Bewegung das Risiko, eine Demenz zu entwickeln oder an Depressionen zu erkranken um 30 Prozent sinkt. Bewegung in jeglicher Form senkt zudem die Gefahr einer Krebserkrankung!

Studien haben ergeben, dass Sport das Risiko für Darm- und Brustkrebs sogar halbiert. Und selbst, wenn man bereits erkrankt ist, hilft Bewegung sehr dabei, zu verhindern, dass der Krebs wiederkehrt. In dieser Hinsicht ist Sport mitunter wirksamer als eine Chemotherapie.

    Fortsetzung folgt