Ein Spaziergang im Advent
Von Sophie Kim Fingerle
Der Schnee glitzert im schwachen Schein der Straßenlaterne, an der noch das Reklameschild des letzten Festes lehnt. Die Ränder des Schildes sind von der Witterung gezeichnet und doch erinnert es noch an die warmen, fröhlichen Tage, gefüllt mit Sonnenschein, Musik und dem Duft nach verschiedensten Speisen. Heute ist es ganz leise. In der Ferne hört man den Fuchs. Das Knistern unter den Schuhen klingt vertrauter denn je und das Gefühl unter den Schuhsohlen löst Vorfreude aus. Vorfreude auf besinnliche Tage, an denen man sich der Familie und engsten Freundschaften widmet, das letzte Jahr Revue passieren lässt und sich neue Ziele setzt.
Rechts und links sind die Supermärkte zu sehen. Dieses Jahr sind die Scheiben weihnachtlich dekoriert. Ein Schneemann ist zu erkennen. Er hält eine rote Kerze in der einen und einen Tannenzweig in der anderen Hand. Über ihm leuchtet ein Stern, umgeben von verschieden großen Schneeflockenornamenten. Eine grau-melierte Katze schreitet grazil über den Parkplatz, bleibt neben dem Einkaufswagenhäuschen stehen und blickt zu mir herüber. In der Dunkelheit sind nur die blitzenden goldgelben Augen zu sehen. Ein kleines Stück wirkt es, als würden wir einen Teil des Weges gemeinsam gehen. Doch dann huscht sie durch das Gebüsch davon.
Ein Auto kommt mir entgegen und stört die Ruhe. Die Scheinwerfer leuchten hell und lassen auf dem Zirkuszelt hinter mir, am Ende der Straße die Schatten tanzen. Trotz der vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h spritzt der matschige Schnee und besudelt das vorher erwähnte Schild. Das Auto bremst und rattert die eisig kalte Straße entlang. Die grau-melierte Katze hatte sich wohl spontan zur Überquerung der Straße entschieden und sorgt für die nötige Entschleunigung. Das Auto fährt langsam weiter und verschwindet im dunklen Wald. Es ist wieder ganz leise.
Ich atme tief ein und rieche den Geruch von Kamin und Schornstein, der nur zu dieser Jahreszeit gerochen werden darf. Die geräucherte Luft wird von dem süßlichen Duft von Weihnachtsgebäck durchzogen. Der kalte Wind streichelt mein Gesicht und saust an meinem Ohr vorbei. Das Flattern der Fahnen auf dem Parkplatz klingt beruhigend und erinnert an ein entspanntes, gleichmäßiges Trommeln. Ein weihnachtlicher Ohrwurm gesellt sich dazu. Trotz der kalten Winterluft spüre ich eine innere Wärme, die sich langsam ausbreitet.
Die 220 Jahre alte Kirche steht stolz im Mittelpunkt. Über dem Eingang ist ein Banner gespannt, welches zu mehreren Konzerten in den nächsten Wochen einlädt. Aus dem Inneren sind die Klänge der Orgel zu hören, die seit 60 Jahren die Menschen in diesem Ort zum gemeinsamen Singen vereint. Tradition und Moderne treffen sich an diesem Punkt. Ältere und junge Menschen teilen an diesem Ort ihre Sorgen, Hoffnungen und Interessen. Im Dach höre ich das Gurren von Tauben. Im danebenstehenden Gebäude brennt noch Licht und durch das Fenster sind mehrere Leute zu sehen, die fröhlich lachend Brettspiele spielen.
Ich laufe am benachbarten Café vorbei, wo man Kaffee mit einem Schuss Humor serviert bekommt. Das Schild schimmert golden im Mondlicht und lässt mich kurz innehalten. Am Ende der Straße sehe ich die Tankstelle. Um der Kälte zu entfliehen laufe ich schneller, über den Zebrastreifen, am Gasthaus vorbei. An der Tankstelle angekommen, hole ich mir einen Kaffee. Am Becher wärme ich meine Hände und genieße den ersten Schluck. Ich blicke in Richtung des Waldes und höre den Uhu rufen.