Ein engagierter und kreativer Mann ist von uns gegangen

Nachruf auf den Müggelheimer Karikaturisten Martin Jahn

Von Simone Jacobius

SIMONE ACOBIUS

Martin Jahn, wie man ihn kannte: Mit einem breiten Grinsen und dem Schal um den Hals in einer Aufnahme von 2019.

4 Kinder, 15 Enkelkinder. „Da kann man schon mal durcheinander kommen in meinem Alter“, hat er mir gerade noch lachend am Telefon erzählt. Die Zahlen habe ich nicht überprüft… Martin Jahn wollte seine Arbeit gründlich machen und mit mir über die nächste Karikatur reden. Leider war seine Hand nach Bruch und Operation noch nicht wieder so beweglich, als dass er etwas Aktuelles hätte zeichnen können. Sowieso war er etwas ungehalten. Hatte die Ärztin ihm doch gesagt, er würde nie mehr morgens im Kleinen Müggelsee schwimmen können. Dabei liebte er es doch so. Eine Woche nach unserem Telefonat ist er tot. Unser Karikaturist Martin Jahn, der so viel für Müggelheim getan hat, dem der Ort so viel bedeutete, starb in der Nacht zum 27. Juli in den Armen seiner Lebensgefährtin Hannelore.

Die Arbeit mit dem Zeichenstift war dem gebürtigen Magdeburger eigentlich nicht in die Wiege gelegt. Nach dem Krieg lernte er erstmal den Beruf des Maschinenschlossers bei Krupp. Darauf ist er stolz und erzählte schmunzelnd, dass aus diesem Gewerk viele hauptberufliche Frohnaturen hervorgegangen seien – wie der Karikaturist Erich Schmitt oder der Kabarettist Lutz Stückrath. 

Mit 17 ging er dann an die Fachschule für angewandte Kunst in Magdeburg, die er mit einem Staatsexamen als Kunstschmied und Metallgestalter verließ. Mit einem zusätzlichen externen Studium in Berlin-Weißensee hatte sich Jahn das Handwerkszeug für eine breite Palette der Ausdrucksmöglichkeiten erworben. Als Karikaturist der „BZ am Abend“, des „Bauern-Echo“ und des „Deutschen Landblatt“ und anderen Zeitungen hatte er seine Originale in vielen Ausstellungen und auch im Ausland gezeigt. Da gab es 15 eigene Ausstellungen, aber auch Ausstellungsbeteiligungen in Greiz und in Berlin (Kalligrafie). Beteiligungen an Ausstellungen im Ausland gab es unter anderem in Bulgarien, Japan, Kanada, UdSSR und Polen. „Von 1980 an war ich freiberuflich als Pressezeichner tätig”, erinnerte sich Martin Jahn in meinem letzten Interview mit ihm. Seine satirischen Zeichnungen sind Zeitdokumente, die meist das Tagesgeschehen in Politik und Wirtschaft widerspiegeln. Besonders treffend sind dabei die Karikaturen der Geschehnisse in der DDR im Jahr des Umbruchs 1989.

Als Rentner stand der Broterwerb schon lange nicht mehr im Vordergrund, auch wenn Martin Jahn noch fast jeden Tag zu Zeichenstift oder Feder griff – unter anderem für den Müggelheimer Boten. Jeden Monat telefonierten wir dazu, welches aktuelle Thema ich mir oder auch er sich vorstellen könnte. 

Engagiert hat er sich stattdessen verstärkt im Hauptmanns-Klub, eine Arbeit, die ihm wichtig war. Der Hauptmanns-Klub avancierte zum soziokulturellen Zentrum, liefert ein unterhaltsames Angebot und ist zugleich Treffpunkt für Menschen allen Alters. Von Theater, Lesungen und satirischen Abenden über Computerkurse für Kinder und Senioren bis zu Linedance-Gruppen reicht das Angebot. Bis zum zweiten Vorsitzenden hatte Martin Jahn es gebracht. 

Auch im Wirtschaftskreis Müggelheim war er aktiv, brachte Ideen ein und legte auch selber Hand an. Stets war Hannelore an seiner Seite. Für manchen von uns hat er auch ein Logo entwickelt, da kam der Designer in ihm wieder durch. 

Nach der Gründung des Müggelheimer Heimatvereins war er viele Jahre dessen Vorsitzender. Mit Charme und Witz hat er seine Ideen präsentiert und umgesetzt – aber häufig auch ohne Absprache mit anderen Beteiligten. Dieses „Einzelgängerwesen” ist ihm  damals  häufig vorgeworfen worden, hatte auch viele vor den Kopf gestoßen. Dennoch leugnet keiner, der ihn kannte, die Tatsache, dass Müggelheim nicht schon so viel erreicht, so viel erlebt hätte, wenn es nicht einen engagierten Martin Jahn gegeben hätte. Und im Alter ist er auch souveräner geworden. 

Die letzten Jahre waren nicht einfach für ihn, geprägt von Stürzen, Brüchen und Krankheiten. In der Nacht zum 27. Juli ist ein engagierter, kreativer Kopf für immer von uns gegangen.