Ausflug nach Gransee
Ein sehenswertes Städtchen im Dornröschenschlaf
Mitte Oktober, an einem freundlichen Herbsttag, fand der diesjährige nun schon traditionelle Ausflug des Umweltkreises statt – ein lohnenswerter Ausflug, der vielleicht zum Nachahmen anregt.
Gransee liegt nördlich von Berlin, mit der Regionalbahn vom Hauptbahnhof dauert es nur 45 Minuten. Bei Vollsperrung des nördlichen Berliner Autobahnringes mit dem Pkw dauert es allerdings zwei bis dreimal so lange. Es war genau der Sonnabend, 12. Oktober, mit Brückenabriss, der unseren Zeitplan tüchtig durcheinanderwirbelte.
Nach glücklichem verspäteten Eintreffen aller Teilnehmer gab es kräftige Hausmannskost im einzigen geöffneten Gasthaus. Es trägt den merkwürdigen Namen „Huckeduster“, dessen Bedeutung wir nicht enträtseln konnten.
Anschließend ein Stadtrundgang. Der historische Kern von Gransee blieb über Jahrhunderte unverändert. Von Kriegsschäden verschont, sieht es heute fast noch so aus wie in der Beschreibung Theodor Fontanes vor 150 Jahren in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Die Kernstadt innerhalb der Stadtmauer steht unter Denkmalschutz. Die denkmalgerechte Sanierung ist eine Aufgabe für Jahrzehnte!
Unser Stadtrundgang begann am Denkmal für Königin Luise. Es ist ein Entwurf des jungen Friedrich Schinkel. So, als wäre die Königin hier begraben, ruht ein Sarkophag auf dem emporragenden Sockel, von einem Baldachin gegen Wind und Wetter geschützt, angefertigt von der Königlichen Eisengießerei Berlin, aus Gusseisen. Es handelt sich um den Beginn der Luisen-Verehrung in Preußen. Die spätere Königin Luise war Prinzessin zu Mecklenburg-Strelitz und wurde die Ehefrau des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. Sie verstarb am 19. Juli 1810, erst 34 Jahre alt, an Lungenentzündung während eines Besuches bei ihrem Vater in Mecklenburg-Strelitz. Ihre Leiche wurde während der Überführung nach Berlin in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 1810 gerade an dieser Stelle, dem heutigen Schinkelplatz, aufgebart.
Königin Luise wurde damals bereits im Volke verehrt. Die Granseer Ackerbürger beschlossen dieses Ereignis mit einem Denkmal zu würdigen. Fontane schreibt dazu in seinen Wanderungen: „Das Luisen Denkmal zu Gransee hält das rechte Maß; es spricht für sich und die Stadt und ist rein persönlich in dem Ausdruck ihrer Trauer. Und deshalb rührt es.“
Der Legende nach hat ein widerständlerischler Granseer Schlossermeister den in der DDR geplanten Abriss verhindert. Von 1995 bis 1997 erfolgte eine gründliche Sanierung des Denkmals. Heute erstrahlt es wieder in frischen Farben, im alten Glanz. Ein Schmuckstück!
An dieser Stelle sei die Empfehlung eingefügt, das unversehrt gebliebene Luisen-Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg zu besuchen. Hier befindet sich Luises Grablege mit dem berühmten Marmor-Sarkophag, Christian Daniel Rauchs Meisterstück!
Weiter ging unser Stadtrundgang entlang der mittelalterlichen Stadtmauer. Die ursprüngliche Gesamtlänge betrug zwei Kilometer. Davon sind 1600 Meter, also 80 Prozent heute noch erhalten! Es handelt sich um eine Feldsteinmauer, sechs Meter hoch. Sie ist ein eindrucksvolles Zeugnis mittelalterlichen handwerklichen Könnens. Schutz bieten sollte die Mauer vor Mecklenburgischen Raubrittern.
Weiter ging es zum Ruppiner Tor, es ist ein Zeugnis spätgotischer Backsteinarchitektur aus dem 15. Jahrhundert und besteht aus einem Haupt- und einem Nebentor. Um beide Tore rankt sich eine mittelalterliche Betrugslegende, die vom falschen Waldemar.
Während der sowjetischen Besatzungszeit fuhren Panzer durch beide Tore. Die Sichtmarkierungen dafür blieben denkmalgeschützt erhalten. Etliche rüstige Teilnehmer unserer Expedition stiegen die drei Etagen hinauf und konnten die Stadt von oben fotografieren. Hier war die einzige Möglichkeit dafür.
Die Pfarrkirche Sankt Marien ist das architektonisch bedeutendste Bauwerk Gransees, spätgotische Backsteinarchitektur aus dem 15. Jahrhundert. Es handelt sich um eine dreischiffige Hallenkirche mit sieben Jochen. Der älteste erhaltene Teil ist der Feldsteinunterbau der Türme aus dem 13. Jahrhundert. Eine Besonderheit sind die beiden unterschiedlichen Türme. Zu den wertvollen Innenausstattungen gehört u.a. ein Schnitzaltar aus der Zeit um 1400. Die Sankt Marienkirche verfügt über eine Orgel des berühmten Orgelbauers Joachim Wagner aus dem Jahr 1744. Unserer Bitte nach einer Hörprobe konnte leider nicht entsprochen werden, schade! Mit einer Spende wollten wir einen Beitrag zur Instandsetzung der baufälligen Kirchtürme leisten. Zur Erinnerung an den Sieg über Napoleon pflanzte man im Jahre 1814 vor der Kirche eine Friedenseiche, heute ein mächtiger alter Baum.
Da es schwierig war, eine Kaffeegaststätte zu finden und wegen möglicherweise wieder zu erwartenden Staus, traten die meisten Teilnehmer anschließend die Heimreise an, nicht ohne dass zuvor ein herzlicher Dank an Johannes Horscht ausgesprochen wurde, der in schon gewohnter Weise den Ausflug hervorragend vorbereitet und organisiert hatte
Wegen der fortgeschrittenen Zeit wurde ein geschichtlicher Beitrag von Harald Kampffmeyer auf später verschoben, soll jedoch hier angefügt werden.
Zwischen Elbe und Oder im heutigen Brandenburg lag um Christi Geburt das Stammesgebiet der germanischen Semnonen, des Hauptstammes der Sueben (Schwaben). Zum Ende der germanischen Völkerwanderung zogen diese im 6. Jahrhundert in wesentlichen Teilen nach Süd-Westen ab. Ihnen folgten von Osten kommend slawische Stämme, die sich hier ansiedelten.
Im 10. Jahrhundert gelang den Sachsenherzögen zunächst die Unterwerfung der Havel- und Spreeslawen (Heveller & Sprewanen). Jedoch bewirkte der Große Slawenaufstand 983 für ca. 150 Jahre die erneute Unabhängigkeit der Heveller und Sprewanen. Albrecht der Bär erbte 1150 vom letzten Hevellerfürst Pribislaw Brandenburg und das Havelland und rief Siedler aus dem Rheinland, Flandern, Hessen und Sachsen ins Land, um es zu erschließen und ertragreich zu machen. Das Land wurde wieder germanisch; es begann der „Große Landesausbau“.
Ein Enkel Albrechts des Bären – Graf von Arnstein – wird 1214 mit dem Reichslehen „Ruppin“ belehnt. Auch er ruft Siedler herbei. Es werden Burg und Stadt Ruppin, Kloster Lindow, Kloster Neuruppin, die ‚festen Plätze‘ Rheinsberg und Fürstenberg gegründet. Der Herrscher nennt sich nun Graf von Lindow-Ruppin. Im „Norddeutschen Markgrafenkrieg (1308-1317)“ fallen Mecklenburger Truppen ins Ruppiner Land ein, was den Aufmarsch der Truppen des Markgrafen von Brandenburg bei seiner Stadt Gransee bewirkt. In der Schlacht bei Gransee im August 1316 überfallen die Mecklenburger eines Morgens das Lager der Brandenburger, womit Markgraf Waldemar (der Große) Schlacht und Krieg verliert. Er zahlt die Kriegsschulden beim Grafen v. Ruppin-Lindow nicht zurück, weshalb dieser nach Waldemars Tod – der letzte Askanier – die Pfänder Wusterhausen und Gransee einzieht. Als 1524 die Linie der Grafen zu Ruppin ausstirbt, läuft es dann umgekehrt. Aus vielfältigen Verpflichtungen heraus zieht der Markgraf von Brandenburg – nun ein Hohenzoller – das Lehen ‚Ruppiner Land‘ für sich ein.
Historisch Bedeutsames geschah in oder um Gransee nicht mehr. Es war eine kleine (3000 Menschen), selbstgenügsame Agrarbürgerstadt. Nach einem Großbrand 1711 wiederaufgebaut, blieb es ohne Industrie, jedoch mit erhaltener Stadtmauer. Schäden in den Weltkriegen nahm die Stadt nicht, verlor aber hunderte junge Männer auf den Schlachtfeldern. Viele Granseer pendeln heute nach Berlin, um den Lebensunterhalt dort zu verdienen.
JH, HK, HK