Köpenick im Verkehrskollaps
Situation durch Umleitungen nach Brückensperrung
Von Randy Witte
Die ersten Wochen nach der plötzlichen Sperrung der Salvador-Allende-Brücke am 24. Januar sind vorbei. Es ist Zeit, die bisherigen Maßnahmen zu reflektieren.
Die Brücke ist gerade einmal 38 Jahre alt und sollte die bis in die 80er Jahre genutzte Dammbrücke zur Überquerung der Müggelspree entlasten. Bereits vor fünf Jahren erfolgte die Teilsperrung der Salvador-Allende-Brücke aufgrund von Schäden am Beton. Der Bau einer neuen Brücke wurde geplant. Passiert ist seitdem nicht viel! Durch die Verdopplung der Kosten und Probleme bei der Ausschreibung verschob sich der Termin immer weiter. Es war also nur eine Frage der Zeit bis zur totalen Sperrung der Überquerung.
Für die Anwohner in und um Treptow-Köpenick war die eingeschränkte Verkehrssituation bisher schon sehr belastend und die Dauer bis zum Beginn des Neubaus führte zu manch Unverständnis. Seit dem 24. Januar ist die Salvador-Allende-Brücke nun komplett, auch für Rettungsfahrzeuge, gesperrt. Die mangelnde Weitsicht führte zum Überraschungseffekt, so dass „durch die kurzfristige Dringlichkeit der Brückensperrung […] im Vorfeld keine Maßnahmen zur alternativen Verkehrsführung oder sonstige Abstimmungen“ getroffen wurden. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz arbeitete an einer Verkehrslösung, deren Ergebnis am 8. Februar präsentiert wurde.
Die „Einrichtung einer komplett beschilderten Umleitungsstrecke“ endete in einem unüberschaubaren Schilderwald. Man betrachte sich nur einmal das Schauspiel an der Abbiegung von der Salvador-Allende-Straße in die Friedrichshagener Straße. Schilder zeigen einen Spurwechsel von links nach rechts, Abbiegepfeile sind aber auf der linken Spur gemalt und die rechten Markierungen wurden gestrichen. Im Ergebnis fädeln sich die Fahrzeuge nun direkt im Kreuzungsbereich, begleitet von ständigem Hupen, ein. Dazu kommen die Kunden des Baumarktes. Vorschriften scheinen hier außer Kraft gesetzt. Genauso wie der logische Menschenverstand. Kundige Köpenicker werden wissen, wie sie zu fahren haben. Für Durchfahrer oder Touristen ist es eine einzige Katastrophe.
Als weitere Maßnahme wurde die Einrichtung einer Busspur zwischen Wendenschloßstraße und Kietzer Straße umgesetzt. Diese Busspur ist seit dem 15. Februar in Kraft. Wer auch immer auf diese Idee gekommen ist, war mit Sicherheit noch nie morgens auf der Müggelheimer Straße unterwegs. Wurde so etwas wie eine Verkehrsabschätzung überhaupt gemacht? Dann hätte man auf den nicht zu bewältigenden Verkehrsfluss stoßen müssen, der durch die Maßnahme einer Busspur komplett lahmgelegt wird. Auf diesen 150 Metern macht eine solche überhaupt keinen Sinn, da es an dieser Stelle keine Einschränkung für Busse gibt. Der Stau entwickelt sich bereits vorher und wer die Kreuzung erst überquert hat, hat nur noch normalen Verkehr vor sich. Dieses Stück auf eine Spur zu reduzieren bedeutet nun aber unendlichen Rückstau für alle Fahrzeuge, die von Norden, Süden oder Osten kommen. Die Kreuzung Müggelheimer Straße/Wendenschloßstraße ist ja bereits mit intakten Brücken im Berufsverkehr ein Nadelöhr. Und nun müssen sich alle Fahrzeuge, aus drei Richtungen auf eine einzige Spur, anstatt wie bisher auf zwei Spuren verjüngen. Diese zusätzliche Belastung zu der bisher schon angespannten Situation ist unerträglich und vermeidbar.
Die nächste ebenso unzweckmäßige Maßnahme betrifft die Einrichtung einer Einbahnstraßenregelung in Richtung Norden durch die Altstadt Köpenick, beginnend ab der Kreuzung Landjägerstraße/Amtsstraße über Alter Markt, Lüdersstraße, Freiheit bis zum Kreuzungsbereich Freiheit/Lindenstraße. Was passiert hier? Diese Einbahnstraße soll die Spindlersfelder Brücke entlasten, belastet aber zusätzlich die Dammbrücke. Zudem gibt es nun nur noch einen einzigen Weg von Westen kommend zurück nach Köpenick und zwar einzig über die Lange Brücke. Wer in die Altstadt möchte, muss dann über drei Brücken (Dammbrücke, Spindlersfelder Brücke, Lange Brücke) wieder zurück nach Wendenschloß oder Müggelheim fahren und reiht sich in den ohnehin schon vollen Verkehr ein. Das Chaos kann man jeden Morgen im Verkehrsfunk hören oder in sozialen Medien betrachten.
In der Bezirksverwaltung Treptow-Köpenick wird in einem gemeinsamen Antrag von SPD und Die Linke zusammen mit der CDU eine Überprüfung zur Stauentlastung empfohlen. Der Bezirksverordnete Ralph Korbus (CDU) stellte zusätzlich den Antrag, ein der Notsituation geschuldetes Parkverbot auf der Lüdersstraße/Alter Markt umzusetzen und die Bürgersteigvorstreckungen überfahrbar zu machen. Dadurch soll die Altstadt wieder beidseitig befahrbar werden. Auch hält er wie die meisten Anwohner eine Öffnung der Fußgängerzone in der Altstadt für eine sinnvolle Maßnahme. Die vom Bezirk gewollte Beruhigung der Altstadt sollte für die Dauer der Sperrung der Salvador-Allende-Brücke ausgesetzt werden. Eine Ampel von Alt-Köpenick kommend gibt es ja noch.
Bezirksbürgermeister Oliver Igel sieht allerdings durch die Straßenbahnen und Buslinien erhöhte Staugefahr. Auf rbb24 wird er deutlicher: „Mit einer Straße für die Umfahrung braucht uns der Senat nicht zu kommen, also etwa mit einer Umleitung durch die Altstadt. Da sagen wir: ‚Nein!‘“ Wer ist mit ‚wir‘ gemeint? Die Köpenicker sicher nicht. Dabei könnte die Öffnung der Altstadt den Verkehr wirklich entlasten.
Was auf jeden Fall schlimmer wird, ist die Belastung der noch verbleibenden Brücken. Die in den 90ern errichtete Behelfsbrücke neben der historischen Langen Brücke zwischen Spindlersfeld und Alt-Köpenick hat durch den täglichen Schwerlastverkehr ein kritisches Stabilitätsniveau erreicht. Auch die Dammbrücke, die die Dammvorstadt mit Alt-Köpenick verbindet, wird durch die Umleitungsmaßnahme derzeit enorm stark belastet. Was der Verlust einer weiteren Brücke für Köpenick bedeutet, kann man sich ausmalen. Schon jetzt nutzen viele Müggelheimer Umfahrungen über Schmöckwitz oder Erkner, um in die Stadt zu gelangen.
Bis Ende 2019 sollen wir uns noch mit der Situation arrangieren. Aber bereits jetzt ist absehbar, dass die Belastung unangemessen verschärft wurde. Und es wird nicht einfacher. Bald finden Bölschefest und Köpenicker Sommer statt, die zusätzliche Besucher nach Köpenick locken und dementsprechend die Verkehrssituation weiter eskalieren lassen. Eines ist dabei aber noch gar nicht thematisiert worden. Die Wasserstraßen sind ebenfalls unpassierbar. Auf den Müggelsee kommt man dann nur noch von Osten über Seddinsee und Dämeritzsee. Das wird ein Spaß.