Müggelheim ist blau

Die Ergebnisse der Europawahl

Von Simone Jacobius

Fangen wir mal mit dem Positiven an, denn auch das gibt es zu berichten: Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl lag diesmal deutlich höher, als noch vor fünf Jahren (60,6 Prozent in Berlin statt 46,7 im Jahr 2014). Punkt! Und der Rest? Da verlass ich mich jetzt mal stur auf die Statistik.
Insgesamt haben die großen Parteien, vorneweg die Sozialdemokraten (-10 auf 14%), erheblich an Stimmen verloren. Ein historisch schlechtes Ergebnis wurde ihnen von den Medien attestiert. Die Stimmen sind stattdessen vielerorts an die Grünen gegangen, die berlinweit einen großen Sprung nach oben gemacht haben (von 19,1% vor fünf Jahren auf jetzt 27,8%) und erstmals in ihrer Geschichte in Berlin stärkste Partei wurden. In acht Bezirken liegen sie ganz vorne (auch in Treptow-Köpenick), in sechs Bezirken sogar über 30 Prozent. Auch die AfD konnte mehr Stimmen auf sich vereinen, allerdings nicht so erhebliche Zuwächse wie die Grünen – und auch nicht so stark wie jetzt das mehrheitlich blau gefärbte Brandenburg.
Und wie schaut es im Wahlbezirk 5 F, also in Müggelheim aus?
Hier ist die AfD mit 20,1% der Stimmen stärkste Partei geworden, ein Plus von 7%. Es folgt die CDU mit 17% (-3%), die Linke mit 16,1% (-8,9 %), die Grünen mit 13,6% (+6,6%), die SPD mit 11,9% (-8,8%) und als Schlusslicht der etablierten Parteien die FDP mit 5,5% (+4,1 %).
Immerhin 119 Müggelheimer haben auch „Die Partei” gewählt, die Partei des Satirikers Martin Sonneborn. Sie hat damit 3,5 Prozent erreicht. Auch Tierschutzpartei, Familie und NPD erreichten noch mehr als ein Prozent.
Auch in den Wahlbezirken 3F, 3G (beides Altglienicke) und 4A (Bohnsdorf) liegt die AfD an der Spitze, auch mit mehr als 20 Prozent.

Und so wurde in den einzelnen Wahllokalen (ohne Briefwähler) gewählt:
09516 – SPD 9,8, CDU 17,4, Grüne 12,8. Linke 16,9, AfD 22, FDP 3,8, Sonstige 17,3 (2005 Wahlberechtigte)
09517 – SPD 13,2 , CDU 16,7, Grüne 12,4, Linke 14,3, AfD 21,2, FDP 6,3, Sonstige 15,8 (1992 Wahlberechtigte)
09518 – SPD 12,4, CDU 15,6, Grüne 14,5, Linke 15,0, AfD 22,4, FDP 4,1, Sonstige 16,1 (1601 Wahlberechtigte)

Zum Vergleich nochmal die Bezirksergebnisse: 20,1 % für die Grünen und 18,6 % für die Linken. Die AfD erreicht mit 14,4 % Platz drei, gefolgt von der SPD mit 13,1 und der CDU mit 12 Prozent. Die Spaßpartei „Die Partei” erreicht hier mit 5,3 Prozent noch vor der FDP (3,9 %) Platz sechs. Bei den Briefwählern des Bezirks lagen die großen Parteien relativ dicht beieinander bei 17 bis 20 Prozent (stärkste die Grünen mit 20,8%) und die AfD erreichte nur 10 Prozent.

Kommentar von Simone Jacobius

Wie kommt es, dass die Hauptstadt auf Grün schaltet und wir, als anscheinend kleines aufwieglerisches Dorf, ganz blau sind? Wenn es eine Zustandsbeschreibung wäre (zum Männertag waren wieder viele dieser blauen Exemplare bei uns unterwegs) könnte ich das noch goutieren. Aber so? Auf Facebook gab jemand die Begründung, dass Müggelheim mit seinem dörflichen Charakter eben eher Brandenburg sei. Ok. Aber auch in Brandenburg gibt es keine offensichtlichen Gründe dafür, sich dermaßen für eine Partei auszusprechen, die sich vor allem dadurch auszeichnet, eurokritisch, islam- und fremdenfeindlich zu sein – und zudem noch oft von Skandalen geprägt. Ja, in einer Demokratie darf jeder wählen, was er möchte. Das ist auch gut so. Aber es darf auch jeder sagen, was er möchte, solange er nicht beleidigt. Das nennt man freie Meinungsäußerung, ein hohes Gut. Deswegen mache ich das hier auch…
Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, denen es sehr viel schlechter geht als uns, die wir immer noch durch ein funktionierendes Sozialsystem weich fallen. Und trotzdem schaffen es viele von ihnen, sich ihre positive Grundeinstellung zu bewahren, nicht zu jammern, sondern sich selber um ein besseres Dasein zu kümmern.
Und bei uns? Bei uns wird auf hohem Niveau gejammert. Immer weniger Menschen setzen sich ehrenamtlich für etwas ein. Immer weniger denken ans Gemeinwohl, an Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt. Ja, auch ich bin mit der Politik nicht zufrieden, so wie sie sich oft darstellt. Auch ich hoffe auf neue Köpfe. Aber bei mir sind Grenzen gesetzt, Grenzen, die ich aus den Geschichtsbüchern kenne, die meine Familie am eigenen Leib erfahren musste und die tagtäglich noch in der Welt dafür sorgen, dass viele, viele Menschen in täglicher Unterdrückung und mit dem Verbot freier Meinungsäußerung leben müssen – und zwar deutlich schlechter, als wir es in den vergangenen Jahrzehnten jemals mussten. Und Demokratie ist bei mir einfach mal nicht blau oder braun.