Xavier wütete auch in Müggelheim
Baumfäller im Dauereinsatz
von Simone Jacobius
Entwurzelte Bäume, herumfliegende Bauschilder und Absperrungen, dicke Äste, die wie Streichhölzer abgeknickt wurden. Weil die Bäume noch vollbelaubt waren, hatte Orkan Xavier am 5. Oktober leichtes Spiel und konnte sich gut in den Kronen fangen. Deswegen waren die Schäden größer, als zu einer späteren Jahreszeit. Fast 60.000 Bäume sind in ganz Berlin geschädigt worden. In den Wäldern rings um Müggelheim seien es etwa 2000 bis 3000 Bäume, schätzt Forstamtsleiter Klaus Pogrzeba. Tragisch ist vor allem, dass der Orkan auch einige Todesopfer in Berlin und Brandenburg gefordert hat. In Müggelheim gab es „keine Personenschäden“, wie es von unserer Feuerwehr heißt. Allerdings waren die Müggelheimer Kameraden auch drei Tage voll im Einsatz, um Schäden im öffentlichen Straßenland zu beseitigen.
„Es sind diesmal nur Einzelbrüche, keine ganzen Flächen. Das macht das Aufräumen so schwierig. Wir appellieren daher an alle Waldbesucher, nicht querfeldein zu laufen, sondern auf den Wegen zu bleiben. Die sind weitestgehend freigeräumt“, sagt der Forstamtsleiter. Gerade Pilzsucher sollten überlegen, ob Pilze wirklich so gut schmecken, dass man dafür sein Leben aufs Spiel setzen wolle. Gefährlich seien die Äste oder Kronen, die abgeknickt seien und noch am sprichwörtlich seidenen Faden oben hängen würden. Spätestens beim nächsten Wind, teilweise auch schon ohne Wind, würden sie herabfallen und Menschenleben gefährden. Da nicht nur ein Bereich, der einfach abgesperrt werden könnte, betroffen sei, würde sich die Gefahrensituation noch eine Weile hinziehen.
Besonders betroffen durch den Sturm war der öffentliche Nahverkehr. Viele Berliner kamen nur sehr schwer oder gar nicht nach Hause, Reisende saßen auf Bahnhöfen fest. Die Bahnstrecken nach Hannover und Hamburg waren erst Tage nach dem Sturm repariert und konnten befahren werden. Wer abends nach dem Sturm nach Hause fuhr, dem bot sich ein kurioses Bild. Überall parkten BVG-Busse, der ganze Schlossplatz war vollgeparkt mit Straßenbahnen. „Diese Einschränkungen dienten der Sicherheit der Fahrgäste“, erläuterte Senatorin Regine Günther.
Auch die Fähre nach Rahnsdorf konnte zwei Tage nicht fahren, bis ein über dem Fähranleger liegender Baum von den Müggelheimer Kameraden beseitigt wurde. Der riskanteste Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr war jedoch einer in Spreewiesen: Eine stromführende Oberleitung war durch einen Baum gerissen, die Leitungen hingen herunter, Funken sprühten und der Gartenzaun stand auch unter Strom. „Wir mussten die Gefahrenstelle sichern und fünfeinhalb Stunden warten, bis dann ein Einsatzwagen von Vattenfall kam“, erzählt Wehrleiter Sören Vieth. Nur zwölf Einsatzwagen von Vattenfall sind für ganz Berlin zuständig. Im Falle eines Sturmes wie Xavier kommt es dann zu deutlichen Engpässen.
Während sich die Mitarbeiter des Straßen- und Grünflächenamtes um die Beseitigung in Parkanlagen, auf Friedhöfen und bei Straßenbäumen kümmerten, waren die Forstarbeiter im Wald zugange. „Es ist schwierig, Firmen zur Unterstützung zu bekommen. Die sind alle ausgebucht und auch bei den privaten Hausbesitzern im Einsatz“, erläutert Pogrzeba die verzwickte Situation. Daher würden sich die Arbeiten im Wald noch eine Weile hinziehen – auf jeden Fall bis ins Jahr 2018 hinein. Vorrangig seien Wege und Straßen freigeräumt worden.
Auf den privaten Grundstücken müssen sich die Hausbesitzer übrigens selber um die Beseitigung der Bäume kümmern. „Wir greifen nur ein, wenn ein privater Baum droht auf öffentlichen Straßenraum zu fallen. Alles andere dürfen wir gar nicht, würde für den Privatbesitzer auch viel zu teuer werden“, erläutert Vieth. Sein Tipp: Auf die ortsansässigen professionellen Baumfäller zurückgreifen.
Während nach dem Orkan Kyrill vor zehn Jahren manche Bereiche wieder aufgeforstet werden mussten, ist das diesmal nicht nötig. „Das einzige Problem ist, dass umkippende Bäume auch unsere Aufforstungsflächen und die Zäune drum herum kaputt gemacht haben. Dadurch konnte das Wild dort jetzt eindringen und frisst die kleinen Bäume“, sagt der Forstamtsleiter. Der Bereich Rauchfangswerder ist übrigens, aus Forstsicht, am heftigsten betroffen. Dort sind die Mitarbeiter noch bis Ende des Jahres nur mit dem Freischneiden der Wege beschäftigt.
Übrigens hat Orkan Herwart, der noch nicht einmal vier Wochen später über Berlin hinweg zog, zumindest in und um Müggelheim so gut wie keine weiteren Schäden angerichtet, meldet unsere Feuerwehr.