Gedanken aus Müggelheim
von Simone Jacobius
„Jetzt haben wir es denen aber gezeigt“, „Das haben sie nun von ihrer Arroganz“, „Hätten sie mal eher auf uns gehört, nun haben wir ihnen einen Denkzettel verabreicht“. So und ähnlich hörte man es von vielen Seiten, nachdem die Wahlergebnisse bekannt wurden. Der Triumph über die „Klatsche“, die man den etablierten, vor allem den großen Volksparteien verabreicht hatte, war groß. Zugegeben, nicht nur in Müggelheim, berlinweit, ja sogar deutschlandweit waren diese Stimmen zu hören.
In Müggelheim war die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich hoch, mit 82,8 Prozent so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Lag es an dem gleichzeitig stattfindenden Volksentscheid? Nach dem Motto: Wenn ich schon für Tegel stimmen will, dann kann ich auch gleich mein Wahlkreuzchen machen. Für Tegel, ja wirklich. Denn die Zustimmung für die Offenhaltung Tegels war in Müggelheim so hoch wie sonst nirgends in der Stadt. Beides, der „Denkzettel“ genauso wie die Tegel-Zustimmung haben mich zum Nachdenken gebracht. Nicht, dass mir das ansonsten eine fremde Beschäftigung wäre, aber beide Ergebnisse brachten mich verstärkt zum Grübeln. Was macht viele Müggelheimer so unzufrieden, dass sie anderen einen Denkzettel verpassen müssen? Ich finde, wir leben hier in einem friedlichen wunderschönen Eckchen von Berlin. Die meisten Müggelheimer verfügen über ein Eigenheim, die Gemeinschaft stimmt, man braucht keine Angst zu haben, wenn man im Dunkeln durch den Ort läuft. Es gibt keine Flüchtlingsheime und so gut wie keine Ausländer hier, wovor ja leider viele Menschen Angst haben.
Was also ist es, dass so viele Menschen dazu getrieben hat, neue Parteien zu wählen? Ist es wieder so weit, dass wir einen starken Mann brauchen, der uns hilft, den Karren aus dem Dreck zu ziehen? Welchen Dreck nur, frage ich mich… Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag wird der Tonfall definitiv rauer werden, wie schon erste Äußerungen direkt nach der Wahl zeigten. Aber brauchen wir einen raueren Tonfall, brauchen wir solche Töne? Ich denke, wir brauchen eher Leute mit Ideen, die konstruktiv denken und handeln können, die über ihren eigenen Schatten springen können, wenn es der Sache dient, die uns Reputation im Ausland verschaffen, die auch mal bereit sind, kreative neue Wege zu gehen. Ja, wir brauchen vielleicht neue Denkansätze. Und ja, auch Jüngere, die vielleicht noch nicht so verwoben sind mit allen Annehmlichkeiten des Politikerdaseins wären schön. Aber bitte lasst uns intelligent und konstruktiv, demokratisch und aufs Gemeinwohl bedacht an alle Probleme herangehen.
Häufig kann man Unzufriedenheit auch mit Eigen-Engagement bekämpfen. Man muss sich nicht unbedingt in einer Partei engagieren, auch eine Bürgerinitiative, Elternversammlungen, Kitas, Sportvereine eignen sich. Überall dort, wo das Gemeinwohl im Mittelpunkt steht. Es fehlen Menschen, die aktiv sind, die nicht nur jammern, sondern etwas verändern wollen. Klar, nichts geht von heute auf morgen und auch Frust gehört dazu. Aber auch Lohn in Form von leuchtenden Augen, vielfacher Dankbarkeit, wenn sich etwas zum Positiven verändert hat. Niemand hat gesagt, dass das Leben ein Zuckerschlecken sei. Aber wer sich engagiert, wirkt aktiv mit an seinem Lebensumfeld. Vielleicht wäre das ein erster Schritt gegen die Unzufriedenheit.
Übrigens geht es uns Deutschen, gemessen an vielen anderen europäischen Staaten noch richtig gut. Das ist unter anderem auch ein Verdienst der etablierten Parteien, die das Schiff in den letzten Jahrzehnten immer schön gerade gesteuert haben, ohne dass je der Untergang drohte.