Der Zorn war mit ihnen!
Müggelheimer sind sauer über den Betonklotz auf dem Anger
Von Simone Jacobius
SIMONE JACOBIUS (2)
Nun steht er, der Betonklotz am Dorfanger – noch ohne Graffito. Baustadtrat Hölmer in der Diskussion mit Müggelheimern.
Erst ein beruhigendes Statement durch Bezirksbürgermeister Oliver Igel, dann vollendete Tatsachen: Direkt nach Drucklegung der Juli-Ausgabe ging es richtig zur Sache mit der Gasdruckstation auf dem Dorfanger. Wir hatten im Juli zwar bereits über den Fakt an sich berichtet, bekamen aber keine offizielle Stellungnahme dazu aus dem Bezirksamt. Die kam einen Tag nach Druck der Zeitung von Bezirksbürgermeister Oliver Igel. Er versuchte, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen und koordinierte einen Termin zwischen der Gasag-Tochter NBB, dem Bezirksamt und dem Müggelheimer Heimatverein. Doch das Aufatmen währte nur kurz. Bereits am nächsten Tag wurde direkt quer auf die Angerspitze der gelbe Betonklotz gesetzt, der seitdem den Blick auf den denkmalgeschützten Anger verwehrt.
Kurz darauf kam dann noch eine offizielle Presseerklärung der Unteren Denkmalschutzbehörde nach dem Motto: Wir konnten nicht anders, wir sind verpflichtet, die Bewohner mit Gas zu versorgen und einen anderen Standort gab es nicht. Wie jetzt, erst in Sicherheit wiegen, dann vollendete Tatsachen, dann der Versuch einer Erklärung?
Die Verantwortlichen haben wohl nicht mit dem Zorn der Müggelheimer gerechnet. „Wir haben es bisher immer geschafft, unseren Dorfanger vor verschandelnden Bauwerken zu bewahren“, erinnert sich Martin Jahn. So hätte es mal den Versuch gegeben, den kompletten Anger einzuzäunen, dann sollten ringsum Fahrradbügel aufgestellt werden (die gepflasterten Felder sind noch übrig geblieben), nun also die Gasdruckstation. „Wäre doch gelacht, wenn wir es auch nicht diesmal schaffen, dass unser Denkmalensemble erhalten bleibt“, sagt Jahn. Auch das rbb-Fernsehen kam mit dem Abendschau-Reporter Frank Drescher am 16. Juli nach Müggelheim, um mit Anwohnern und Bezirksamt zu reden und sich selber ein Bild von dem Ärgernis zu machen. Zu der Vor-Ort-Diskussion kamen etwa 50 Leute – und das an einem ganz normalen Werktag zur Mittagszeit. Die Stimmung war geladen. Andreas Wendt, Pressesprecher der Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg (NBB) und auch Baustadtrat Rainer Hölmer hatten kein leichtes Spiel. Sie räumten zwar ein, dass man die Öffentlichkeit im Vorfeld hätte informieren sollen, aber nun ist es passiert: Ob der hässliche Betonklotz noch einmal umgesetzt werden kann und Anwohnern und Besuchern dann wieder ein freier Blick auf den historischen Dorfanger gewährt wird, ist offen. NBB-Sprecher Wendt machte Hoffnung: „Wenn ein passender Standort in Landesbesitz gefunden wird und die Kosten für eine Umsetzung sich im Rahmen halten, ist das mittelfristig durchaus möglich.” Vorerst sollen, um die Gemüter zu beruhigen, die nackten, gelben Betonfassaden mit Sträuchern verschönert werden. Schon jetzt ist ersichtlich, dass die nackten Wände Schmierfinken anlocken: Seit gut zwei Wochen „ziert” ein Graffito die Fassade – es ist also eingetreten, was die meisten ohnehin vorhergesehen hatten.
Die Abgeordnete Stefanie Fuchs (Die Linke) war bei der rbb-Veranstaltung auch vor Ort und hat den Akteuren auf den Zahn gefühlt. Von Ulrike Zeidler, Leiterin des Stadtplanungsamtes, dem auch die Untere Denkmalschutzbehörde untersteht, brachte sie in Erfahrung, dass sie das Bauvorhaben „unterschätzt” habe. „Mir wäre schon beim Bild des Bauantrages bewusst geworden, dass es so nicht funktioniert“, sagt Fuchs. Schön ist auch, dass die Behördenleiterin „aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung vergessen“ habe, den Vorhabenträger auf die Bürgerbeteiligung hinzuweisen. Das Fazit der Abgeordneten: „Es tut mir leid, da fehlt mir ein bisschen das Verständnis und ich werde den Heimatverein bei der Suche nach einem anderen Standort unterstützen.”
Am 11. August wird es so weit sein. Dann findet das Treffen zwischen Heimatverein, Bezirksamt und NBB statt. Lutz Melchior, der Vorsitzende des Heimatvereins, ist jedoch guter Dinge. Sowohl am Ortseingang als auch am Ortsausgang gäbe es Alternativ-Grundstücke. „Es geht uns nicht darum, an das Haus ein paar grüne Pflanzen zu hängen oder eine hübsche Hecke drum herum zu pflanzen – das Ding muss weg!”, sagt er. Hoffen wir mal, dass sich Mitte August eine Lösung für das Problem findet.
Kommentar von Simone Jacobius
Die Versorgung der Bevölkerung mit Gas ist wichtig. Ja! Aber muss man dafür alles andere außer Acht lassen? Alt-Müggelheim steht nicht nur als Ensemble unter Schutz, sondern besteht auch aus vielen Einzeldenkmälern. Wir Normalbürger müssen im Denkmalschutzgebiet die schärfsten Auflagen erfüllen, von Fassadenfarbe über Dachfenster bis zur Gründstücksumzäunung, was die Anwohner meist eine Extrastange Geld kostet. Und dann kommt plötzlich ein Versorgungsunternehmen daher und kann alles einfach außer Kraft setzen. Damit wird der Denkmalschutz aus meiner Sicht ad absurdum geführt. Ohnehin finde ich, dass Müggelheim immer sehr stiefmütterlich behandelt wird. Auch das Bezirksamt müsste seine Hausaufgaben machen und beispielsweise für intakte Geh- und Radwege im Denkmalbereich sorgen. So haben die Anwohner das Gefühl, dass all die Denkmallast auf ihren Schultern liegt. Ich finde, es wird Zeit, dass nicht nur zu Lasten unserer Privatportemonnaies und über unsere Köpfe hinweg entschieden wird!