Gedanken aus Müggelheim

von Dr. Rolf Förster

Der 9. November steht für wegweisende Ereignisse der deutschen Geschichte, leider auch für die Progromnacht 1938. Als Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und als Enkel eines von den Nazis ermordeten Großvaters bewegt mich dieser Tag besonders, weil an diesem Tag die Diskriminierung einer Minderheit in systematische Verfolgung überging, der Beginn eines Vernichtungsfeldzuges, der in den Holocaust mündete.
In den zurückliegenden Jahren ist es in Deutschland wieder zu antisemitischen Übergriffen gekommen – das ist für mich ein Skandal! Dass solche Dinge im Jahre 2018 geschehen, sehe ich als Schande für unser Land! Eine Partei, die am äußersten rechten Rand im Bundestag sitzt, hat die Hetze wieder perfektioniert. Sie verhöhnen die Opfer und Überlebenden der Shoa, indem sie die Verbrechen der Nazis relativieren und die Gedenkkultur zerstören. Für Antisemitismus und Rassismus darf kein Platz in unserer Demokratie sein. „Es darf keine Freiheit geben, die zur Zerstörung der Freiheit führt“ (Karl Jaspers). Zu viel Demokratie hat ihre Schattenseiten: Wie kann es sein, dass radikale Muslime ungeniert in Moscheen zur Vernichtung der Ungläubigen (gemeint sind Juden und Christen) aufrufen können? Wie konnte man in unserem Lande die vielen kriminellen Clans, die mafiösen Strukturen, die anwachsenden rechten und auch Naziorganisationen einfach tolerieren? Hier endet mein Verständnis für Demokratie.
Demokratie muss wehrhaft sein und den Rechtsstaat durchsetzen! Wenn es wieder eine Partei gibt, die anfängt, das Terrain unserer Geschichte nach ihrem Belieben nationalsozialistisch zu belegen und mit einem Gedankengut zu unterfüttern, das es in leidvoller Weise einmal gab: Dann müssen Menschen wie ich, die sich mit diesem Themenspektrum belastet fühlen, öffentlich Position beziehen, gerade weil solche Aussagen von Björn Höcke so gefährlich sind! Beschädigt wird unser Land in der Tat von Mitbürgern, die andere Menschen, die in Not sind, herabsetzen, die sich selbst zu Propheten berufen und nichts anderes tun, als Kälte und Hass zu verbreiten, denen jedes Gefühl für Angemessenheit fehlt, geschweige denn, dass sie Demut und Scham empfinden. Denn dazu hätten sie eine Menge Gründe angesichts dessen, was die Generation ihrer Väter und Großväter Millionen von Menschen angetan hat. Und nun tun diese Menschen so, als würden sie durch Flüchtlinge bedroht.
Warum gibt es keinen offiziellen Holocaustgedenktag in Deutschland, als schmerzhafte Erinnerung an die sechs Millionen ermordeten Juden? Wir dürfen es doch nicht dulden, dass Geschichtsrevisionisten die Schrecken der Vergangenheit verharmlosen und ihre Opfer verhöhnen. Wir brauchen überzeugte Demokraten, Menschen mit wahrer Zivilcourage, die den Mund aufmachen und der Strategie der rechten Parteien im Alltag widersprechen. Lasst uns doch endlich wieder deomedi, also deutsch-demütig sein – aber niemals resignieren!

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KOMMENTAR

von Simone Jacobius

Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Immer wieder gibt es Anlässe, in denen Bürger sich nicht ernst genommen oder auf den Schlips getreten fühlen. Ist es da ein Wunder, dass sich immer mehr Unzufriedenheit im Land breit macht? Die Anwohner der Odernheimer Straße wurden zwar per Brief darüber informiert, dass ihr Gehweg gemacht werden soll. Doch statt die Sache als großartige (und wie ich meine überfällige) Sache darzustellen, eine, über die sich jeder Müggelheimer freuen sollte, wird gleich die große Keule geschwungen: mit Paragrafen gedroht, entstehende Kosten angekündigt und aufgelistet, was passiert, wenn man sich nicht kooperativ zeigt. So wird der schönste Grund zur Freude gleich im Keim erstickt, statt dessen Angst und Hilflosigkeit gesät. Ältere Menschen wissen nicht, wie sie das Geld für die Kosten aufbringen sollen, andere fragen sich, wieso sie ihre selbst finanzierten Auffahrten abreißen und eine neue bezahlen sollen. Der Ton macht hier die Musik. Wenn die Maßnahme als etwas Positives dargestellt worden wäre, wären die Anwohner sicherlich weniger ärgerlich. Vielleicht sollte den Ämtern mal von Marketingexperten etwas Nachhilfe erteilt werden, bevor die Unzufriedenheit noch größer wird – und sich in den Wahlkreuzchen noch stärker bemerkbar macht.