„Malen ist unser Leben”

Ein Hausbesuch beim Künstlerehepaar Ina und Peter Augustinski

Von Simone Jacobius

 

Während die Vögel ihr Konzert geben und Agatha, die Ringelnatter, im kleinen Gartenteich schwimmt, Fuchs und Dachs zu Besuch kommen, ficht der Hausherr wahre Hahnenkämpfe aus: Der Waschbär, der das Futter aus den Vogelhäuschen raubt, gehört nicht zu den beliebten Gästen im Garten Augustinski. Also wird er Auge in Auge unter mächtigem Gefauche vom Hausherren mit einem Besen vertrieben. Peter Augustinski, Rentner, Maler im künstlerischen wie auch im Handwerklichen, verteidigt seine kleine Idylle am Hirseländer Weg. Er und seine Frau Regina, genannt Ina brauchen die Natur um sich, um ihrer künstlerischen Ader freien Lauf zu lassen. Von Frühjahr bis Herbst stehen sie mit ihren Staffeleien auf der überdachten Terrasse, ihrem „Malhof”, umrahmt von wildem Wein, den Töpferwaren von ihr und den Ölbildern von ihm.
Das Haus, ein einfaches Holzhaus, wurde 1927/28 gebaut und von Augustinskis Anfang der 70er-Jahre umgebaut, als sie dort einzogen. Die Küche selbst gebaut, umgedrehte Blumentöpfe als Lampenschirme („Wir hatten damals nicht so viel Geld, waren aber kreativ”), an den Wänden überall Bilder der beiden Töchter und Enkelkinder. „Ich brauche immer meine Familie um mich”, erklärt Ina dazu. Gemütlich ist es im Haus, ein Nest, das Geborgenheit vermittelt – und nicht tapeziert werden muss. Denn Wände und Türen hängen voll mit Bildern, selbst die Decken über den Betten sind mit Bildern behängt, schließlich will das Ehepaar sich mit seinen Naturbildern in den Schlaf träumen. Im ganzen Haus sind die Spuren der beiden Künstler zu entdecken.
Und das, obwohl sie erst spät mit der Malerei angefangen haben. Es passierte 1985, Peter Augustinski hatte einen Unfall, der ihn über Wochen zur Untätigkeit verbannte. „Ich bin zwar eine Leseratte, aber irgendwann wollte ich auch das nicht mehr. Da fiel mir ein, dass ich als Schulkind gerne und auch gut gemalt hatte – mir auch die eine oder andere gute Zusatznote damit eingehandelt habe – und irgendwo noch Malutensilien von mir lagen”, erinnert sich Peter Augustinski. Gesagt getan, seine Frau brachte ihm das nötige Handwerkszeug und er legte los. Die Leidenschaft am Malen hat er seitdem nicht mehr verloren – sein Haus legt beredtes Zeugnis davon ab.
Ina, die von 1980-84 aufgrund einer lebensbedrohlichen Erkrankung viele Monate in Krankenhäusern und bei Therapien verbracht hatte (wo sie unter anderem Töpfern lernte) konnte danach nicht mehr in ihrem Beruf als Grundschullehrerin arbeiten. 37 Jahre alt war sie damals. Peter schlug ihr dann vor, doch auch mal wieder zu zeichnen, denn das hatte sie schon früher gerne getan. Aufgrund ihrer Gehirnoperationen wurde ihr Zeichentalent noch verstärkt. „Ich bin dann fünf Jahre in eine Malschule gegangen, wo ich Porträt- und Aktzeichnen gelernt habe”, erzählt sie. Sie hat einen ganz anderen Malstil als ihr Mann, „so kommen wir uns wenigstens nicht in die Quere”, sagt die 75-Jährige. Während sie Kreide und Bleistifte bevorzugt, malt er mit Ölfarben in verschiedenen Schichten – wie die alten Meister. „Ina kann zeichnen, ohne auf ihre Hand zu gucken. Sie schaut fast die ganze Zeit das an, was sie zeichnet”, staunt Peter Augustinski immer noch. Der 74-Jährige saniert auch Gemälde und übernimmt Auftragswerke, aber seine Vorliebe gilt dem Maritimen. Was bestimmt daran liegt, dass er in jüngeren Jahren ein sehr erfolgreicher Segler war und gemeinsam mit seinem Bruder diverse Meistertitel errang. Die Natur hat es allerdings beiden angetan.
Bis er 60 Jahre alt war, hat Peter Augustinski noch selbstständig als Malermeister gearbeitet. Mehrere Bandscheibenvorfälle beendeten dann diese Laufbahn und läuteten die nächste ein. „In den vergangenen 14 Jahren sind wir richtig in die Kunst eingestiegen und weil wir nun beide Zuhause sind, sind auch ganz viele Werke entstanden”, erzählt er und fügt hinzu: „Malen ist wirklich unsere Leidenschaft!”.
51 Jahre sind die beiden inzwischen verheiratet, sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. „Wir haben den Ernst des Lebens schon wirklich sehr zu spüren bekommen. Der hat uns aber positiv geprägt, weil wir das Leben jetzt noch besser zu schätzen und zu genießen wissen”, sagen beide. Zwar könne man von Kunst nicht leben, aber sie hätten ja früher beide ihr Geld mit anderen Berufen verdient. Wenn sie jetzt mal ein Bild schweren Herzens verkaufen, wird das Geld gleich wieder in Malutensilien re-investiert.
Viele ihre Werke sind in dem jährlich neu aufgelegten Müggelheim-Kalender abgebildet. Regelmäßige Ausstellungen im Dorfklub machen die Werke ebenfalls einem breiten Publikum bekannt. Seit dem 5. Oktober sind die Bilder von Ina Augustinski im Dorfklub zu sehen. Ihre neue große Leidenschaft wird dort aus Platzmangel eher nicht zu sehen sein: Riesengroße Bilder über mehrere Meter, die sie nur in der Garage malen kann. Drei bis vier Tage dauert so ein Werk, Tage, an denen sie alles um sich herum vergisst und nur noch für ihre Malerei lebt. „Mein Traum war immer mal Riesenwerke wie Michelangelo zu malen. Irgendwann habe ich es dann einfach angepackt”, erzählt sie, „dann stand ich da, der Kreislauf pumpte und alles ging wie von selbst. Große schwingende Armbewegungen und plötzlich war ein Urwald da.” Schon neun Riesenwerke hat sie gemalt. Mal sehen, wann diese der Öffentlichkeit präsentiert werden...

„Momentaufnahmen”, Ausstellung von Ina Augustinski, Vernissage am Freitag 5. Oktober um 18 Uhr, zu sehen bis zum 9. November im Dorfklub Alte Schule auf dem Dorfanger