„Dieser Johannes irritiert“

Die Johannisnacht lädt zum Nachdenken ein

von Horst König

Vielen Menschen – auch hier bei uns in Müggelheim – wird möglicherweise wenig bewusst gewesen sein, dass der 24. Juni, in diesem Jahr ein scheinbar normaler Sonntag, ein ganz besonderer Tag ist: Es ist der Johannistag, an ihm endet die Erntezeit für Spargel und Rhabarber, und es gibt noch viele weitere Ernteregeln und -traditionen für diesen Tag. Meist sind sie den Stadtmenschen kaum noch bewusst, genauso wenig wie die Tradition, dass der 24. Juni von den christlichen Kirchen als der Geburtstag Johannes des Täufers begangen wird. Und die Nacht davor, die Johannisnacht, beginnt vor den vielfältigen nächtlichen Feiern mit einer Andacht. So trifft sich in Müggelheim auch seit vielen Jahren eine Gruppe von Menschen zu einer Andacht.
Die Andacht, die Pfarrerin Schwedusch-Bishara in diesem Jahr hielt, traf sehr den Nerv der Zuhörer, so dass sie nachfolgend mit ihrer Zustimmung weitgehend wiedergegeben werden soll.
Die für das Johannisfest vorgesehene Schriftstelle ist der Anfang des Markusevangeliums. „Es beginnt mit einer großen Ankündigung: ,Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.‘ Da spart der Evangelist nicht mit Auszeichnungen: Jesus als Christus, als der Gesalbte, auf den alle schon gewartet haben. Dazu noch ,Sohn Gottes‘. Das weckt hohe Erwartungen.
Doch so spektakulär die Ankündigung ist, so ernüchternd ist das, was zunächst folgt. Da tritt nicht der Held des Evangeliums, Jesus Christus, der Sohn Gottes, auf, sondern ein befremdlicher Vorbote: Johannes, der sich in die Wüste zurückgezogen hat, in schäbiger Kleidung herumläuft, sich von Heuschrecken und wildem Honig ernährt und keine Gelegenheit auslässt, ordentlich gegen alle und jeden verbal auszuteilen.
Dieser Johannes irritiert. Und der soll etwas mit dem Sohn Gottes zu tun haben? Der soll Gottes Bote sein, den er vorgeschickt hat? Na das kann ja was werden!
Wir sind es immer weniger gewohnt, mit Irritationen umzugehen. Seit letztem Jahr ist viel von der ,Filterblase‘ die Rede, die in den sozialen Netzwerken entsteht. Dort kann ich angeben, was mir gefällt und ich bekomme dann aufgrund dieser Angaben zukünftig vor allem das angezeigt, was dem ähnlich ist, was mir gefällt. Das ist einerseits angenehm, weil ich vor allem das zu lesen bekomme, was mich interessiert. Andererseits werden mir damit auch heilsame Irritationen vorenthalten. Es entsteht um mich herum eine virtuelle Welt, in der alle Menschen so ähnlich denken wie ich und mich in dem bestärken, was ich ohnehin immer schon gedacht habe.
Ein Johannes, der ein hochgradig verstörender Typ war, hätte da kaum eine Chance. Längst wäre er ausgeblendet worden. Irritationen, die mich selbst in Frage stellen, erreichen mich auf diesem Weg kaum noch.
Johannes der Täufer kann uns wieder daran erinnern, dass der Weg zu Jesus Christus nicht an Irritationen vorbeiführt, sondern mitten durch sie hindurch. Die Boten, die uns in seine Nähe bringen, sind nicht diejenigen, die uns in dem bestärken, was wir immer schon wussten und für richtig hielten, sondern die uns und unsere Meinungen in Frage stellen.
Dies kann zur Folge haben, dass ich ganz neue Wege einschlage, umkehre, mich neu orientiere. Manchmal ist das schmerzhaft, wenn ich erkenne, dass ich die Prioritäten im Leben nicht richtig gesetzt hatte. Dann wieder können solche Irritationen auch wie ein geöffnetes Fenster sein, durch das frische Luft in den abgestandenen Mief des Lebens einströmt.
Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken, von welchen Menschen wir Kritik annehmen können. Meistens sind das nicht sehr viele. Umso wertvoller sind sie. Leute, die uns im entscheidenden Moment sagen: ,Mensch, pass auf, dass du dich da nicht verrennst!‘ Oder wenn wir uns in Konflikten verstrickt oder uns auf eine bestimmte Sicht der Dinge eingestellt haben, uns darauf aufmerksam machen, dass es so nicht weitergeht.
Solche Menschen brauchen wir auch auf dem Weg des Glaubens. Wir brauchen jemanden, der uns verständnisvoll begleitet, uns aber auch schmerzhafte Fragen stellt, die aber heilsam sind und uns wieder neu in die Nähe Gottes führen.
Es braucht Menschen wie Johannes – auch heute. Sie müssen uns nicht gleich als ,Otterngezücht‘ bezeichnen oder als Aussteiger leben, aber deutliche Worte finden und aus dem nötigen Abstand heraus unsere Irrwege wahrnehmen, sollten sie schon.
Dass es auf dem Glaubensweg nicht ohne Irritationen abgehen kann, hat auch damit zu tun, dass nicht nur Johannes der Täufer, sondern auch Jesus selbst erheblich irritiert hat und es noch heute tut. Auch er entsprach nicht dem Bild, das Menschen sich von dem Christus, dem Messias, gemacht hatten. Und einen ,Sohn Gottes‘ hätten sie sich wohl anders vorgestellt. Sein Aufruf ,Liebet eure Feinde‘ irritiert noch immer. Dass er am Kreuz starb, verstörte zunächst selbst seine engsten Anhänger.
Immer wieder haben sich Christen wie Johannes in die Wüste zurückgezogen, um dort fernab von aller Ablenkung des Alltags zu leben und auf Gott zu hören. Dies wird vermutlich nicht unsere Art sein. Aber die bevorstehende Urlaubs-
zeit lädt ein, die freie Zeit auch damit zuzubringen, über das eigene Leben nachzudenken, Gottes Wort in unsere Gedanken einzubeziehen und sich so auch heilsam irritieren zu lassen.
Eine solche Auszeit könnte dann auch ein Neuanfang ,des Evangeliums von Jesus Christus‘ in unserem Leben sein.”
Soweit die Ausführungen unserer Pfarrerin; man muss sicher nicht unbedingt Christ sein, um sich von ihren Worten zum eigenen Nachdenken anregen zu lassen.

Kirchentermine im Juli

Gottesdienste
Sonntag, 8.7., 10 Uhr: Gottesdienst mit Abendmahl – Pfrn. Schwedusch-Bishara
Sonntag, 15.7., 10 Uhr: Gottesdienst mit Abendmahl – Pfr. Wohlfarth
Sonntag, 22.7., 10 Uhr: Gottesdienst – Dr. Tunsch
Sonntag, 29.7., 10 Uhr: Gottesdienst – Andreas Schmidt

Kirchenkonzert
Sonnabend, 14.7., 18 Uhr: Sabine Jacob, Uli Wagner, Sabine Wagner, Ulrike Fieguth – „Gambelspil – Alte Musik in neuem Gewand”
Sommerpause
Unterricht und Gruppen werden ab August bzw. mit Beginn des neuen Schuljahres fortgesetzt. Sprechstunde der Pfarrerin: dienstags, 17-19 Uhr in der Dorfkirche (außer während des Urlaubs)
Urlaubsvertretung
Urlaub der Pfarrerin vom 9.7. bis 2.8. Die Vertretung für Beerdigung und Seelsorge übernehmen vom 9.-14.7. und vom 23.7.-2.8. Pfr. Siegfried Menthel (Tel. 675 81 73); vom 15.-22.7. Pfr. Wohlfarth (Tel. 65 07 57 18)