Gedanken aus Müggelheim
von Simone Jacobius
Vertrauen ist ein Urinstinkt des Menschen. Es wird uns förmlich in die Wiege gelegt bei der Geburt und nach und nach durch viel Wärme und Fürsorge weiter ausgebaut. Auch zu vielen anderen Personen bauen wir mit der Zeit Vertrauen auf. Zur Familie, die immer für uns da ist, zu Erziehern und Lehrern die uns etwas beibringen und uns gegen andere Rabauken beschützen, zu unserem Chef, der unseren Arbeitsplatz sichert und auch zu Politikern, die unser Land vertreten und dafür einstehen, dass hier alles funktioniert und uns niemand Böses will. So sieht es zumindest in der Theorie aus.
So manches Mal wird Vertrauen aber auch bitter enttäuscht. Eltern, die ihren Kindern nicht die liebevolle Fürsorge angedeien lassen, der "liebe Onkel", der sich plötzlich als bitterböse entpuppt, ein Chef, der klammheimlich sein Scherflein ins Trockene gebracht hat und die Firma den Bach hat runtergehen lassen. Aber noch gravierender sind die Folgen, die ein Vertrauensverlust in die Politik hat. Sie rüttelt an den Grundfesten der Demokratie. Nicht umsonst wird die Wahlbeteiligung immer geringer. Nicht umsonst gewinnen Parteien, die mit plakativen Slogans werben immer mehr Zuspruch - denn wenn etwas so einfach dargestellt ist, kann kein kompliziertes "hinter-den-Kulissen-Gemauschel" dabei sein, so die Denkweise.
Deswegen hat Freiherr zu Guttenberg mit seinem unredlich erworbenen - und inzwischen wieder abgetretenen - Doktortitel allen ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Dieser "Gutmensch", der von vielen schon als Kanzler-Nachfolger geführt wurde, der angeblich eine vorbildliche Ehe führt und und und - er hat schlichtweg betrogen. Gerade er, der im Licht der Öffentlichkeit steht und eine Vorbildfunktion weit in die Welt hinaus haben sollte. Er hat nicht nur Dreck auf die Wissenschaft geworfen, sondern auch auf die Politik. Bei anderen, weniger prominenten Menschen hätte man es vielleicht noch als "Kavaliersdelikt" abgetan. Denn es gibt kaum Menschen, die nicht in der einen oder anderen Situation etwas "bescheißen", wie man so schön sagt. Aber dieses Ausmaß ist schon gravierend. Entweder hatte er einen miserablen Ghostwriter, oder sich einfach nur dumm angestellt (was ja schon wieder fast sympathisch wäre, da er dann nicht mehr so unfehlbar wirken würde).
Wie dem auch sei, die Plagiatsvorwürfe sind inzwischen bewiesen und um die Welt gegangen. Und wer in diesem Ausmaß betrügt, sich dabei erwischen lässt und trotzdem nicht gleich den Mumm besitzt es zuzugeben, hat sämtliches Vertrauen in ihn verspielt. Inzwischen hat zu Guttenberg die Konsequenzen gezogen (kurz vor Redaktionsschluss). Der Gegenwind, selbst aus den eigenen Reihen, ist zu heftig geworden. Er legte alle seine Ämter nieder, um politischen Schaden abzuwenden... Doch ich denke, dies ist bereits passiert. Frau Merkel hat sich zu lange hinter ihn gestellt, als dass sie ohne Schaden dem Strudel in die Tiefe entgehen kann.
Doch Herr zu Guttenberg ist ja nicht der einzige, nur der aktuellste, Anlass dafür, dass die Politik immer mehr in Misskredit gerät. Es gibt Politiker, die vollmundig etwas versprechen vor der Wahl - und danach kippen sie ganz schnell wieder um. Frei nach dem Motto, leider habe ich die genauen Umstände im Vorfeld nicht gekannt - aber schön, dass Sie mich gewählt haben. Andere werden gewählt und schmeißen nach kurzer Zeit das Handtuch, manchmal mit Hilfe lancierter Skandale. Sie haben ja ausgedient, die Pension ist ihnen sicher... Ist es da noch ein Wunder, dass das Vertrauen der Bürger in die Politik den Bach runtergeht? Wo sind die Rechtschaffenden geblieben, die nicht nur ihren Profit sehen, sondern wirklich das Wohl des Volkes im Blick haben?
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