Geschichten aus dem Müggelwald
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Die Rettung der kleinen Katze Lexi
von Ingrid Zweiniger
Seit drei Tagen miaute es jämmerlich. Auf einem Waldgrundstück mit vielen hohen Kiefern hatte sich ein kleines Kätzchen verirrt. Es saß auf einer Kiefer. Nicht auf irgendeiner Kiefer, sondern auf einer riesengroßen Kiefer. Mit etwa 25 Metern war sie der Großvater unter den Kiefern die dort herumstanden.
Viviane, ein kleines Mädchen, hatte das Kätzchen im Sommer vorigen Jahres von ihren Eltern geschenkt bekommen. Viviane hatte sich schon immer ein Tier gewünscht. Ein richtiges lebendiges Tier. Keins aus Plüsch oder Stoff zum Knuddeln, sondern ein Tier, mit dem man spielen konnte, dem man Futter geben musste. Eben einfach ein Tier, um das man sich kümmern musste.
Lexi, so heißt das kleine Kätzchen, fühlte sich wohl. Es hatte alles, was sich ein Kätzchen wünscht. Einen kuscheligen Katzenkorb, ein liebes Herrchen und Frauchen und Viviane. Und dann auch noch den Opa, der sich um Lexi kümmerte, wenn die Familie mal nicht da war.
Was aber am allerschönsten war, Lexi war keine Stubenkatze. Sie durfte aus dem Haus raus. Sie durfte im Garten spielen. Sie durfte im Sand buddeln. Sie durfte auch durch die Nachbargärten laufen und Vögel, Mäuse, Eichhörnchen und die anderen Tiere des Müggelwaldes beobachten. Daran hatte sie ihre Freude.
Aber es gab auch noch zwei andere Tierarten in ihrer Umgebung, vor denen hatte sie Angst. Die Tiere hießen Hund und Katze und davon wohnten einige in ihrer Nachbarschaft. Die Hunde bellten laut und die Katzen waren riesengroß und guckten Lexi immer böse an.Sie wusste auch nicht warum, aber wahrscheinlich gucken große Katzen die kleinen Kätzchen immer böse an.
Und so passierte es eines Tages. Lexi ging im Nachbargarten spazieren. Sie bestaunte die riesengroßen Bäume. Plötzlich lief eine große Katze auf sie zu. Sie sah Lexi mit großen Augen an und fauchte laut und fürchterlich. Lexi bekam Angst. Vor ihr stand ein dicker Baum. Sie hielt sich am Stamm fest und weil die große Katze immer näher kam, kletterte sie am Baumstamm ampor.
Als sie oben angekommen war, fühlte sie sich sicher. Die große Katze verschwand. Lexi wollte wieder nach unten, aber das ging nicht. Sie hatte keinen Mut nach unten zu klettern und außerdem hatte sie so etwas auch noch nie gemacht.Also blieb sie erst einmal oben in den Ästen sitzen.
„Eigentlich ist es ganz schön hier oben. Aber immer möchte ich auch nicht hier bleiben. Ich bin doch kein Vogel oder Eichhörnchen“, dachte Lexi. Langsam wurde es dunkel. Sie hörte Herrchen, Frauchen und Viviane rufen: „Lexi, wo bist du? Lexi, komm nach Hause.“
„Miau, ich kann nicht“, schrie Lexi, „ich sitze hier oben auf einer Kiefer. Miau, bitte holt mich runter!“
Die Familie lief zu der Kiefer, von der das Miau miau kam. Ganz oben saß das kleine Kätzchen. Viviane war traurig. Mama und Papa konnten nicht helfen, denn so eine große Leiter hatte kein Mensch, höchstens die Feuerwehr. Aber um die Feuerwehr zu holen, dafür war es schon zu dunkel. Also musste Lexi erst einmal oben bleiben. Sie schrie die ganze Nacht jämmerlich, weil sie Angst hatte.
Am nächsten Tag riefen Vivianes Eltern die Feuerwehr an. Aber der Feuerwehrmann sagte am Telefon, dass die Feuerwehr nicht nach Müggelheim kommt, um eine Katze vom Baum zu holen. Mit vielen Menschen telefonierten die Eltern, z.B. mit dem Katzenschutzverein, mit dem Tierheim, mit dem Förster und anderen. Keiner konnte helfen. Sie sagten, dass die Katze nach sieben Tagen von alleine herunter kommt. Aber sieben Tage warten, in solch einer Zeit ist doch so eine kleine Katze verhungert, verdurstet oder vor Angst vom Baum gefallen.
Viviane rief dann einfach den Rundfunksender 94.3 RS2 an und Jochen Trust versprach zu helfen. Er bat alle Menschen, die auf hohe Bäume klettern könnten, sich bei Viviane zu melden. Aber auch das klappte nicht und deshalb musste Lexi eine zweite Nacht auf dem hohen Baum schlafen. Wieder schrie sie jämmerlich ihr Miau durch den Müggelwald. Die Menschen in ihrer Umgebung konnten schlecht schlafen, weil sie Mitleid mit der kleinen Katze hatten.
Claudia aus der Tongrube war eine von diesen Menschen. Sie rief am nächsten Morgen ihren Sohn Dennis an. Dennis lernt nämlich Gartenlandschaftsbauer und er kann auf Bäume klettern. Das hat er gelernt.
Als Dennis am Nachmittag nach Müggelheim kam, hatten sich einige Nachbarn um die große Kiefer herum versammelt. Eine Riesenleiter und ein Sack für die Rettung der Katze standen bereit. Starke Männerarme, die die Leiter halten mussten, waren vorhanden. Die Katzenrettung konnte beginnen.
Dennis stieg auf der Leiter nach oben, dann begann die schwierige Phase. Er verließ die Leiter und kletterte wie ein Affe am Stamm empor. Als er die Krone erreicht hatte, verschwand Lexi vor Angst in der äußersten Spitze des Baumes. Und da wurde es dann gefährlich, denn die Äste dort oben waren sehr dünn. Aber Dennis schaffte es. Er steckte Lexi in den Sack und ließ sie an einem langen Seil hinunter. Opa nahm den Sack und verschwand mit der Katze im Haus um sie zu versorgen. Alles war gut gegangen. Nach zwei Stunden war die Katzenrettung beendet. Überglücklich wurde Dennis von allen umarmt. Er sagte nur: „Hört auf, ist doch selbstverständlich. Aber ganz so leicht war es nicht.“
Wir waren alle froh darüber, dass die Katze gerettet war und das es so einen Jungen wie Dennis in unserem kleinen Dorf am Rande des Müggelwaldes gibt.
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