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Zuletzt aktualisiert am 05.12.1999
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Lichter leuchten in die Herzen - Gedanken zur Weihnacht
Es begab sich, so wird erzählt, vor fast zweitausend Jahren in einem Dorf nahe bei Jerusalem, am Rande der judäischen Wüste. In den Häusern auf dem Hügel drängten sich die Menschen, zusammengetrieben durch das römische Militär. Sie sollten dem Kaiser eine „Steuer” bezahlen, das Letzte, was sie in ihrer Armut besaßen, und die Verzweiflung der Menschen schrie zum Himmel.
Zwei davon, aus Nazareth herbefohlen, suchten Quartier und fanden keines. In der Karawanserei war kein Raum. In einem Viehstall fanden sie eine Herberge, wohl in einem der Felslöcher unten am Berghang, wo man Ochsen und Esel hielt, Schafe und Ziegen. In der Nacht kam ihr Kind zur Welt. Ein Junge. Und Maria legte ihn in einen Futtertrog.
Ich höre die alte Geschichte. Von einem
Anfang erzählt sie, von einer Geburt. Von einer Mutter erzählt sie, von einem Kind, von Tieren und Hirten und Engeln. Ich sehe die Bilder vor mir, die sie schildert, und schaue sie an. Mit den Augen und mit dem Herzen, denn es ist nötig zu schauen.
„Die Welt”, sagt der große Baalschem, „ist voll großer Lichter und Geheimnisse, nur der Mensch verdeckt sie sich mit seiner kleinen Hand.”
Alle Jahre wieder kommen sie uns nahe. Alle Jahre wieder kommen die Lichter und Lieder. Wieviel erwarten wir noch von ihnen?
Auf alle Fälle dies: Da setzte einer einen Anfang, wo sonst unsere Wege enden. Für ihn kämpfte er. Für ihn litt er, ein Mensch, der auf eigene Gefahr liebte. Wir feiern seine Geburt und wünschen mit heißem Herzen, dass wir ihm ähnlicher werden und so seine Geburt auch in uns geschieht.
Die Szene spielt in einem Stall. Nicht,
wo wir sonst wohnen. Nicht in der Behaglichkeit unserer Gewohnheiten. Nicht in unseren üblichen Gedanken, sondern abseits, wohin wir sonst unseren Weg nicht finden.
Tiere sind dort, und sie stehen als Bilder für die Kräfte in uns, die wir sonst nicht achten. Die fremden, vitalen, tragenden Energien, die wir brauchen, wenn im verschwiegenen Raum unserer Seele das neue wachsen soll. Der lebendigere, der vertrauende Mensch.
Das Beste, das ein Stall für ein Kind hat, ist eine Krippe und das Stroh in ihr. In ihr kann das anfangende Leben, das aus einer anderen Welt herüberkommen will, Schutz finden. Die Krippe sind wir selbst.
Soweit geht die Erzählung im
Evangelium. Aber unsere Weihnacht ist darüber hinaus ein unendlich verspieltes Fest und fasst viel Wahrheit in seine Bilderwelt.
Rilke schreibt: „Noch ist das Dasein verzaubert; an hundert Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert.”
So holen wir aus den Wäldern Bäume und stellen sie in unsere Wohnstuben. Und die Bäume leuchten. Sie fangen das himmlische Licht auf und füllen sich mit Feuer. Sie spiegeln die Sternfeuer des Himmels, als kämen die Gestirne auf die Erde herab.
Und wir stehen selbst vor dem leuchtenden Baum und wissen: So können wir stehen. Aufrecht, voll Licht und beständiger Kraft.
Der Baum zeigt seine Früchte: Äpfel
hängen an den Zweigen oder leichte Kugeln aus Glas, die an die Früchte des Paradieses erinnern. Zeichen des vollkommenen, des unzerstörbaren Lebens.
Die Geschichte von der Schöpfung der Welt erzählt, die Menschen hätten durch ihre Eigenmächtigkeit das Paradies verloren. Eines unserer Lieder nimmt die Erinnerung auf und singt: „Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradei der Cherub” - der Wächter - „steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis!”
Das Feuer im Baum aber und die schimmernden Früchte zeigen das Licht einer Wahrheit, die das fest ausspricht: Sie zeigen eine Liebe, die herabkommt, um die Erde reich zu machen.
„Ein junger Baum wird aufwachsen und Frucht tragen, auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und der Kraft”, kündigt Jesaja, der Prophet an und ist mit seinem Wort mitten im Geheimnis der Geburt des Christus.
Unter dem Baum liegen Geschenke,
festlich verhüllt. „Sie taten ihre Schätze auf”, erzählt die Geschichte, „und schenkten dem Kind Gold, Weihrauch und Myrrhe.”
Geschenke haben ihren Sinn, wo ein Leben nicht aus sich selbst bestehen kann, aus eigener Leistung oder eigener Kraft. Und so brauchen wir die Hand anderer, die schenkende, und immer wird unsere gebende Hand gebraucht.
Einmal im Jahr üben wir die Kunst des Schenkens mit leichter Hand und nachdenklichem Herzen, damit der oder die andere erkennt: Dort ist jemand, dem ich nicht gleichgültig bin.
Und wir üben die Kunst des Annehmens, gerne zu empfangen mit dankbarem Lächeln, mit dem wir der Liebe des anderen antworten. Niemand aber ist zu arm, sich selbst zu verschenken, oder zu reich, das Herz des anderen zu brauchen.
Wenn wir schenken, tun wir, was Gott in jener Nacht tat. Denn niemand kann sich Gottes Nähe verdienen. Unerwartet kommt seine Liebe und macht uns reich.
Was soll das alles? Im Grunde nur
eins: zeigen, was in uns selbst geschehen soll.
Angelius Silesius sagt: „Wär Christus tausendmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärst doch ewiglich verloren.”
Das ist die Mitte des Christfestes: dass in uns geschieht, was damals geschah - Gottes Erscheinen. Die Geburt des Lichtkindes. Des neuen Menschen, der aus Gott ist. Innere Geburt.
Wir rühren damit an ein tiefes
Geheimnis. Paulus sagt: „Christus soll in euch Gestalt gewinnen.” Oder: „Ihr seid in Christus. Damit ist alles neu in euch und das Alte ist vergangen.” So soll unmerklich in uns der neue Mensch wachsen, der für das Gottesreich, für die Freiheit bestimmt ist, für das bleibende Leben.
Wie kann das geschehen?
Es beginnt damit, dass wir erkennen: Wir sind nicht festgelegt auf das, was wir jetzt sind. Niemand ist es. Alles ist voll neuer Anfänge, wenn wir sie geschehen lassen. Auch zwischen anderen Menschen und mir können neue Anfänge wachsen, oder dort auch, wo der Hass die Menschen trennt. Die Schuld muss nicht bleiben und nicht der Streit. Güte kann einkehren. Helligkeit. Wahrheit. Christus selbst, das Kind, und Christus, der Erwachsene, der vom Gottesreich sprach und vom Frieden unter den Menschen, soll seine Gestalt finden in mir und Ihnen.
Damit sind wir tief im Geheimnis die
ser Nacht. Das eine weiß ich doch, dass mein Verstand zu klein ist, Gott und sein Geheimnis zu fassen. Wenn ich ernsthaft über diese Welt und über das Dasein der Menschen nachdenke, muss ich von Gott reden und weiß doch, dass ich nichts von ihm weiß. Ich bin ein kleiner Mensch und kann das Unendliche nicht fassen.
Aber da sagt mir nun die Geschichte von der Christgeburt in Bethlehem: Du wirst wissen, wovon du redest. Du wirst die Unendlichkeit Gottes berühren, wenn Gott dir in der Enge deiner Endlichkeit entgegentritt. Wenn die Krippe aus Holz die Kunde von ihm einfasst.
„Den aller Welt Kreis nie beschloss, der liegt in Marien Schoß”, singen wir. Die Kunde von Gott, von seinem Wort und Willen, nimmt die Gestalt eines Menschen an. Der Sprecher, der bevollmächtigte Gottes, ist unter uns. Und wir fassen, was er uns übergibt, mit unseren kleinen Händen: die Wahrheit von Gott.
Mit diesen Textauszügen aus einem Weihnachtsbuch von Jörg Zink, und dieser alten Darstellung der Christusgeburt möchte ich allen Müggelheimern gesegnete Weihnachten wünschen - erfüllte Wünsche und glückliche Begegnungen. Pfarrer Siegfried Menthel
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