„Singen ist wie Medizin”
Müggelheimer Seniorenchor hat schon 40 Mitstreiter
von Simone Jacobius
„Lustig ist das Zigeunerleben, faria fari-a“. Aus nahezu 40 Kehlen wird das Lied inbrünstig geschmettert. Eigentlich könnten sie das Lied auch abändern in „Lustig ist das Seniorenleben“. Denn die Männer und Frauen die hier voller Begeisterung singen, gehören dem Müggelheimer Seniorenchor an. Jede Woche trainieren sie im Dorfklub auf dem Dorfanger ihre Stimmbänder, üben Texte und sind ausgelassen gut bei Stimme.
Den Chor gibt es bereits seit elf Jahren. Entstanden ist er aus einer Gymnastikgruppe heraus. „Wir Senioren sind regelmäßig zu unserer Gymnastikgruppe hier im Dorfklub gegangen. Aber irgendwie hatten wir dann noch mehr Lust auf Musik“, erinnert sich Edeltraud Hensel. Schnell ergriff sie die Initiative. Als gelernte Musikpädagogin mit lebenslanger Chorerfahrung brachte sie auch das nötige Handwerkszeug dafür mit. Zudem kann sie Klavier spielen, so dass die Begleitung gesichert ist.
„Angefangen haben wir zu sechst. Inzwischen sind wir 40 Leute, darunter acht Männer – sehr zu unserer Freude“, erinnert sich die kleine rüstige Chorleiterin. Um von allen Sängern auch gesehen zu werden, klettert sie erst einmal auf ein Podest. Zum Aufwärmen gibt es ein paar Lockerungs- und Atemübungen. Die ersten Töne hören sich noch ein bisschen schief an, doch nach wenigen Übungen sitzen sie, die Stimme hat sich eingesungen und los geht’s. „Hey, nicht so donnern. Ihr sollt schön singen“, ruft die 76-Jährige in den Raum hinein. Na gut, klassischer Fehlstart. Jetzt aber… In erster Linie werden Volkslieder gesungen, solche, die die Chormitglieder noch aus ihrer Kindheit kennen. Damals wurde so etwas noch stärker gelehrt in der Schule, oder auch zu Hause. Aber auch einige neuere, bei denen sie die Texte erst lernen mussten, sind dabei. Sicherheitshalber hat jedes der Mitglieder einen dicken Ordner mit Texten.
Der Jahreszeit angemessen, wird es herbstlich. „Auf, auf zum fröhlichen Jagen“, wechselt sich mit „Ein Jäger blies ins Horn“ ab, gefolgt vom schönen „Herbstlied“. Bei „Wenn die bunten Fahnen wehen“ wird es stimmlich etwas eng. „Wir haben einen ganz tollen Sopran, aber die Dame ist heute leider nicht da – das merkt man“, klagt Ingrid Schulz. Doch das tut der Freude keinen Abbruch. Munter wird weiter geträllert. Im Canon dann zuerst die Sopranstimmen, gefolgt von den Damen in Alt. Als letztes stimmen die Herren mit ein. Schön!
Auch Auftritte macht der Seniorenchor. Bei den Müggelheimer Festivitäten sowieso, aber auch in Seniorenheimen. Doch das wird manchmal etwas eng. „Wir sind einfach zu viele“, sagt Frau Hensel. Trotzdem ist jeder der mitmachen will Willkommen.
„Wenigstens einmal in der Woche will ich richtig durchatmen und mal alles raus brüllen“, erklärt Ingrid Schulz. Dann fühle sie sich richtig frei – bis zur nächsten Woche. Eine Art Gesundheitstherapie ist für die 74-Jährige das Singen. Ganz zu schweigen von den sozialen Kontakten, dem Miteinander. „Zwei Mal im Jahr feiern wir auch zusammen und zu runden Geburtstagen gibt’s ein Ständchen für die Mitglieder“, erzählt Helga Mischner. Die 78-Jährige hat schon reichlich Chorerfahrung. Im Berolina-Chor hat sie jahrelang gesungen. Doch irgendwann machten die Knie nicht mehr mit, das lange Stehen ging nicht mehr. „Hier kann ich sitzen beim Singen, dadurch kann ich weitermachen“, erklärt sie zufrieden. Der Donnerstag sei gesetzt, das Singen ließe sie sich nicht nehmen.
Auch Heinz Schlien verfügt bereits über Chorerfahrung. Seit seiner Kindheit hat er gerne gesungen, war bereits in vielen Chören und ist seit etwa anderthalb Jahren Mitglied im Müggelheimer Seniorenchor – und damit das Küken unter den Mitgliedern. Trotz seiner 75 Lenze.
Zu den alten Hasen dagegen gehört Wolfgang Arndt. Er ist bereits von Anfang an dabei und will sich seine Sangesstunde in der Woche nicht nehmen lassen. Mit Grausen denkt er daran, dass Chorleiterin Edeltraud Hensel womöglich irgendwann nicht mehr kann: „Wo soll dann Ersatz herkommen?“ Erste Erfahrungen haben sie schon im vergangenen Jahr gemacht, als die kleine Frau lange Zeit krank war. In Eigenregie haben sie ihre Sangeskunst nicht auf die Reihe gebracht. „Es fehlte einfach das Klavier“, ist sich der Rentner sicher.
Für Olaf Adolphsen ist Singen wie Medizin. „Es ist so wie Lachen, gut für die Gesundheit, denn es befreit von allem Übel“, ist sich der 72-Jährige sicher.
Wichtig ist für alle Mitglieder die Soziale Kompetenz. Einmal in der Woche alte Bekannte wiedersehen und in Ruhe miteinander plaudern. „Wenn wir kommen, geht es hier erst mal zu, wie in einem Taubenschlag. Aber wenn wir dann singen, dann singen wir“, erklärt Arndt. Schließlich kommen die meisten extra früher, um noch diesen Moment des Plauderns zu bekommen.
Wer einmal vorbei gehen will: Der Chor übt jeden Donnerstag von 14 bis 15 Uhr im Dorfklub.
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