Gedanken aus Müggelheim
von Michael Wohlfarth
Was ist ein Neu - Müggelheimer?
Was ein Neu-Berliner ist, das konnte ich bis jetzt aus geschenkten Wochenzeitungen entnehmen, die sich seit über einem Jahr einladend in unserem Briefkasten befinden, obwohl KEINE WERBUNG draußen angeschrieben steht. In der Philipp-Jacob-Rauch-Straße, an einem Seiteneingang einer hier so genannten Stadtvilla. Eine Bezeichnung, die mir neu vorkommt im Zusammenhang mit einem Siedlungsbau (Wohnpark) – aber gefällt…
Außerdem: was ist Werbung ?
Also, was ist ein Neu- Müggelheimer? Das ist ein Mensch, der bei einer der diversen Adventsfeiern erzählt, dass er erst kürzlich hierher gezogen sei. Und prompt gesagt bekommt: „Aha, ein Neu-Müggelheimer!“
Welches Selbstbewusstsein steckt dahinter? Das gleiche wie bei dem gelben Aufkleber „Berlin bei Müggelheim“, den ich mir vor etwa einem viertel Jahr ans Auto geklebt habe. Aus Überzeugung: Der Wald, nicht gepflanzt, sondern schon immer vorhanden, als es hier noch Sümpfe gab und Moore und der Vollmond nachts schräg durch die Stämme der Kiefern und Büsche fiel. Wie heute.
Inzwischen habe ich zu Ehren meiner Enkeltochter noch das kleine Schild „LEIPZIG KOMMT“ dazu geklebt. Und auch deswegen, weil mir eben nicht alles gefällt. Der Zivilschrott liegt z. T. immer noch in den Wäldern. In der Hoffnung, die Wildschweine werden es schon beseitigen. Bei aller Liebe, sie werden es nicht und sollen es auch nicht. Es wäre reine Tierquälerei. Auch wenn ich ein Anhänger zur Erhöhung der Abschussquote bin, bei der Eichelmast. Aber Tiere als Abfallbeseitigungsmaschine? Das nicht!
Zum Glück steht weder an vermüllten Bushaltestellen noch vor Altscherben und verrosteten Überresten von Kleintransportern dieses herrlich erfindungsreiche Schild mit dem schönen deutschen Wort REFERENZGEBIET. Ich glaube, damit ist so etwas wie ein Biotop gemeint. Rechtlich bedeutet es: dieses Waldgrundstück muss und darf nicht aufgeräumt werden. „Kyrill“, der eiserne Sturmgeselle lässt grüßen?! Man sieht den Bäumen die Stürme an (Rainer Maria Rilke, ja, ja- nein, nein- vielleicht….)!
Was gibt es noch Schönes für einen Thüringer Wäldler? Die GOTTESSCHACHTEL, dieses räumliche Quadrat, Platz bietend regelmäßig sonntags und an Feiertagen. Schade, dass es nicht jeden Tag Zuflucht bietet für Müde und Unterdrückte, für Berliner und Neuberliner, anonyme Müggelheimer. Ja, so wie in Bayern! Ich weiß, dass sie von Glaubensflüchtlingen gebaut worden ist, denen der damalige französische Katholizismus zu nahe kam und der Alte Fritz so religiös war, dass er sagen konnte, jeder auf seine Fasson! Auch die terrorisierten Pfälzer im Krieg mit Frankreich! Lange her? Aufklärung, die Tradition, der sich Preußen so verpflichtet wusste. Auch heute noch, wenn die Kirche werktags offen war, um Unterschriften zu sammeln für einen Einspruch, damit die Flugschneise geändert wird: nicht von Nordost über Stadtgebiete, sondern Schleife Süd!!!
Beim Friseur muss man sich anmelden. Dann bekommt man aber auch den Mantel gehalten, wenn man kommt. Und nicht nur, wenn man geht. Und Top-Frisur! Wie ein kleiner König ist er dann, der Kunde!
Unterirdisches Thema auch hier: die Sauen, für die einen Natur, für die anderen eine Plage, auf alle Fälle ein Pluspunkt für die Zaunbauer aus der Provinz – Brandenburg, wie ich gelesen habe.
Toll. Alle 10 Minuten ein Bus, aber die Leute kaufen trotzdem immer mehr Autos und die Parkplätze reichen nicht. Na ja, nun wird ja sowieso nicht weiter gebaut, wegen der Schneise. Aber wir wollen nicht meckern, weder Grün, noch schicksalsergeben Ost und uns freuen an den Seen, an den Angelscheinen, an den Wäldern und am Müggelturm, wenn er endlich wieder blinkt …
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