Müggelheimer Bote
11. Jahrgang, Ausgabe 5/2005
Mai 2005
Müggelheimer Bote

Aktuell: Kanuverein - Meldeschluss für Floßregatta verlängert
Inhalt
Spreeheim Schönhorst - ohne Zukunft ?
Krötenzaun am Müggelheimer Damm
"Ruderfähre ist ein wahres Schmuckstück"
Was Sie schon immer über Fluglärm wissen wollten, ...
100. Todestag von curt Grottewitz
Neue Serie: Arbeitgeber in Müggelheim - Neu Helgoland
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Das geliebte Stiefmütterchen

von Marianne Schäfer

Als kleines Mädchen ging ich jeden Morgen zu Bauer Hembt, um Milch zu holen. Gerne ging ich dabei über die große Wiese. Ein kleiner Weg führte diagonal vom Krampenburger Weg zur Sobernheimer Straße. Auf der Wiese (seit 1944 mit „Behelfsheimen“ bebaut) blühten tausende kleine Blümchen in allen Farben und besonders gefielen mir die kleinen, wilden Stiefmütterchen. Auf dem Weg zum Bauernhof trug ich in der einen Hand die Zwei-Liter-Alu-Milchkanne und in der anderen Hand das abgezählte Geld. Auf dem Rückweg grub ich mir manchmal ein kleines Pflänzchen aus, um es dann im Garten wieder einzupflanzen. So begann meine Liebe zu den Stiefmütterchen.

Die Farben der ersten Frühlingsblumen sind Weiß und Gelb (z B. Schneeglöckchen, Winterlinge). Später blühen die zart violetten und rosa Blümchen wie Lerchensporn, Leberblümchen und Wildtulpen. Danach wird es bunt und die Schmetterlinge, Hummeln und Bienen finden ihre erste Nahrung. Karl Foerster würde sagen: „ Mit Pauken und Trompeten“ sind dann die starkfarbigen Stiefmütterchen im Angebot. Vom reinsten Weiß bis zum tiefsten Nachtblau, vom strahlensten Sonnengelb bis zum feurigen Rotbraun. Und dann erst die reizenden Bunten, mit den ernsten oder lustigsten Gesichtern, da ist die Wahl wirklich eine Qual. Aber eine Schöne! Ja und dann, haben Sie schon mal den honigsüßen Duft bewusst genossen? Ja, die Stiefmütterchen haben es von der kleinen Wildblume (Viola tricolor) bis zu modernsten Neuzüchtungen weit gebracht.

Die Gattung der Viola ist groß, etwa 500 Arten soll es weltweit geben, sie hatten das Genmaterial in sich. Mit einigen Pflänzchen der Urform, welche in ganz Europa auf Wiesen, Äckern, Weiden auch Dünen und im Bergland zu finden waren, wurde etwa zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Züchtung in England begonnen. Der Züchter Thompson hatte bald erstaunliche Erfolge. Dann kreuzte er das weißgelb blühende, (Viola lutea) mit der Viola altaica aus Russland. Als er unter den Sämlingen eines mit einem dunklen Mittelfleck entdeckte, begannen 1830 die modernen Züchtungen. Schon zehn Jahre später gab es 400 anerkannte Sorten (meist einfarbige). Auch in Frankreich wurde gezüchtet aber hier waren die Zuchtziele bunte, geflammte und vor allem solche mit frechen und lustigen Zeichnungen und Gesichtern. Die bunte Stiefmütterchen-Vielfalt begeisterte viele Blumenliebhaber. Es wurde immer noch gekreuzt und ausgelesen, so dass der Ursprung der Neuzüchtungen kaum noch exakt zu benennen war. Der schwedische Züchter Veit Brecher Wittrock (1839 – 1940) schlug eine neue Bezeichnung für das Gartenstiefmütterchen vor. Es wurde ihm zu Ehren mit „Viola x wittrockiana“ bezeichnet.

Das frühblühende V. hiemalis war in den 50er Jahren ein beliebtes Stiefchen. Dann wurden die spät blühenden Schweizer Riesen, mit den übergroßen, leicht hängenden Blüten auf den Markt gebracht. Der Geschmack ändert sich, so das heute mehr die Miniatur–Stiefchen, Viola hybrida ihre Käufer finden. Sie sind eine Kreuzung aus V. x wittrockiana und V. cornuta, dem Hornveilchen. Sie haben von beiden Eltern die besten Eigenschaften geerbt. Sie blühen üppiger und früher als die großen Verwandten und sind besonders winterhart. Neueste Züchtungen in sanften Pastelltönen und altmodisch gerafften und gerüschten Blüten, welche auf der Basis der alten Germania-Riesen mit den amerikanischen Butterfly–Sorten gezüchtet wurden, sind heute im Angebot. Die Rokoko–Stiefmütterchen, welche ich kürzlich bei unserem Pflanzenmarkt kaufen und glücklich nach Hause tragen konnte, sind so entstanden.

Stiefmütterchen werden zweijährig gezogen. In dem einen Jahr ausgesät, blühen sie im nächsten Jahr. Mit den ersten Blüten werden sie im zeitigen Frühling in den Blumengeschäften und Pflanzencenter zum Kauf angeboten. Stiefmütterchen mögen die März- und Aprilsonne. Später, in allzu großer Mai- oder Junihitze machen sie schlapp. Aber sie können mehr, als nur ein paar Wochen die Frühjahrskübel oder Kästen zieren. Sollen sie bis in den Sommer hinein blühen, brauchen sie deshalb Nachbarn, die so viel Schatten spenden, dass der Boden nicht austrocknet.

Je großblütiger die Stiefmütterchen, desto kühler wollen sie es haben. Stiefmütterchen wollen fest eingepflanzt werden, sie mögen keinen schwammigen Boden. Blühen kostet Energie, Stiefchen brauchen Dünger: Etwa einmal im Monat Flüssigdünger in das Gießwasser geben und den Boden mit etwas Mulch bedecken. Bei Wärme und Trockenheit häufig gießen. Verblühte Stiele abknipsen, denn die Samenbildung kostet viel Kraft. Zu lang gewordene Stiele kann man mit der Schere kürzen, die Stiele mit Blüten und Knospen sind hübsch in der Vase. Der Rückschnitt der zu lang gewachsenen Pflanzen ist lohnend, denn sie treiben nach ein paar Wochen wieder kräftig aus und blühen weiter.

Zum Schluss eine kleine Geschichte, wie das Stiefmütterchen zu seinem Namen gekommen ist:

Man sehe sich eine Blüte an. Das untere, große Blütenblatt wird als die garstige Stiefmutter bezeichnet. Ihre beiden Töchter sind die ebenfalls lebhaft gezeichneten Blütenblätter rechts und links, welche neben der Stiefmutter auf je einem Stuhl sitzen. Die beiden Stieftöchter sind die beiden oberen, meistens einfarbigen Blütenblätter. Die beiden Stieftöchter tragen schmucklose Kleider und müssen sich einen Hocker teilen.