Neu in Müggelheim oder auch:
Sind wir im Paradies gelandet?
von Hilla Uppenkamp
Als wir uns im Sommer des letzten Jahres – schon beide im etwas fortgeschritteneren Alter – entschieden, unseren Lebensmittelpunkt zu verändern, der bis dahin für meinen Mann über drei Jahrzehnte Mannheim und Umgebung hieß, fingen Freunde an, unseren Geisteszustand zu hinterfragen. In eurem Alter?
Und wir diskutierten nicht über unseren Geisteszustand, sondern viele Stunden über Richtung und Zielort des angestrebten Umzugs: Mexiko war unsicher und nicht wirklich nah, Barcelona zu laut, das Münsterland zu weit weg vom Zentrum der Welt - Berlin? Ja – Berlin!
Berlin aus unserer Sicht hatte alles, was wir suchten: grüne Flächen, tolle Kulturangebote, Menschen, die ganz direkt sind und ein wunderbares Deutsch sprechen; – anders als der Pfälzer zischen sie nämlich nicht beim Sprechen, sie wissen, dass eine Tüte Tüte heißt und nicht Dutt und außerdem sagen sie zum Abschied „Tschüss“ und nicht „ala gut“.
Ende Oktober siebten wir aus 200 Angeboten in Großberlin drei superschicke Altbauwohnungen und sieben Traumhäuser als zu besichtigende Objekte aus. In nur zwei Tagen im November haben wir dann gelernt, dass Deutschland wirklich das Land der Dichter ist – phantasievolle Beschreibungen von offensichtlichen Bruchbuden oder euphemistische Bewertungen nie zu erfüllender Denkmalschutzauflagen lassen keinen anderen Schluss zu.
HALT !
Ein Haus – in Müggelheim – war ganz realistisch beschrieben; es war in einem guten Zustand, lag am Waldrand und hatte einen großen Garten. Außerdem lernten wir bei der Erstbesichtigung den nettesten Menschen kennen, den wir in den letzten Jahren getroffen hatten – und der war „Ureinwohner“. Zum Testen dieses Wohlfühl-Moments gingen wir am selben Tag in eine hiesige Pizzeria – der Betreiber nahm unser Herz im Sturm – auch wenn er kein „echter“ Müggelheimer ist.
Und selbst beim „Rundgang“ durch den Ort an diesem trüben grauen Novembertag fühlten wir uns nicht unwohl: „Müggelheim hatte was!“
Jede weitere Suche wurde eingestellt – aber Anfang Dezember kamen die Zweifel; „wollen wir wirklich da wohnen?“
Und wieder reisten wir nach Berlin, jetzt war das Wetter echt ekelhaft, und trotzdem fühlte sich das Haus immer noch richtig gut an, der nette Mann hatte schon einen Platz in meinem Herzen, der warmherzige Pizzabäcker nahm unseren Umzug als gegeben und empfahl schon einmal die örtliche Muckibude.
Noch vor Jahresende unterzeichneten wir die Kaufverträge und legten unseren Einzug zum 1. April fest. Während sich unsere Freunde im In-und Ausland aufregten, dass wir nach OST-Berlin ziehen wollten, regten wir uns auf, weil bis Mitte März nicht klar war, ob wir mit den bis dahin noch nicht begonnenen Umgestaltungsmaßnahmen zum Einzug fertig würden. Dank des netten „Ureinwohners“ Harald L. und seiner unerschütterlichen Geduld, seines Einsatzes, der Übersicht im Management von Handwerkern und seinem großen „Netzwerk“ konnte ich schon am 28. März meine erste Nacht in unserem neuen Haus verbringen.
OK, ich habe auf einer Luftmatratze geschlafen, aber es war dank Leo sauber. Und als die Umzugswagen hier ankamen, lernte ich Lutz F. kennen, wieder so ein supernetter Hiesiger, der schnell und unbürokratisch alle Deckenlampen installierte, und mir zu Ostern die allerbesten Eier von seinen Hühnern schenkte. Als uns dann die Telekom im Stich ließ und Manfred N., gerade aus dem Krankenhaus entlassen, sich mit seinem Team aufmachte und uns in die moderne Kommunikations- und Medienwelt zurückbrachte, war das Leben hier schon fast perfekt. Dass darüber hinaus in allen Läden in Müggelheim alle Menschen ganz freundlich sind, in der Muckibude immer hilfsbereite junge Leute mir alter Schachtel Tipps geben, macht das Leben hier wirklich gut.
Dank unserer Nachbarn aber bewegen wir uns jetzt vom Zustand der guten Perfektion in Richtung Paradies. Vor uns, neben uns, hinter uns leben Menschen, die uns absolut offen und freundlich als Mitbewohner ihrer Nachbarschaft aufgenommen haben; jetzt unsere Nachbarschaft.
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