Müggelheimer Bote
12. Jahrgang, Ausgabe 3/2006
März 2006
Müggelheimer Bote

Inhalt
Große Waldputz-Aktion am 1. April
Bilanz eines fast "sibirischen" Winters
Müggelheims Wälder im Wandel
Schönefeld: Das zähe Ringen ...
Schönefeld: Die Stunde der Wahrheit naht
Mannomann, der Hauptmann
Neue Firma will nach Müggelheim
Weitere Meldungen
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Gedanken aus Müggelheim
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Schönefeld: Die Stunde der Wahrheit naht

Urteil im Verwaltungsverfahren wird am 16. März gesprochen

von Gunnar Suhrbier

Herr Brettschneider – der brandenburgische Beamte, der den Planfeststellungsbeschluß (PFB) für den geplanten Bau des BBI in Schönefeld unterschrieben hat – sagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nur einen einzigen Satz. Er erklärte ungefragt, die von ihm geleitete Planfeststellungsbehörde habe den umstrittenen Beschluß nicht im Auftrag oder auf Befehl der Politik in der vorliegenden Form erarbeitet, sondern um damit vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu unterliegen. Dieser Satz blieb völlig unkommentiert im Raume stehen und ich frage mich, was Herrn Brettschneider dazu bewogen haben mag, seinen Sachverstand mit diesem seltsamen Satz jetzt noch in das Verfahren einzubringen. Der Satz klingt verteidigend und rechtfertigend und ist daher in dieser Phase des Verfahrens besonders verdächtig.

Man muß dazu wissen, daß Herr Brettschneider nur zwei Tage vor dem Ende der mündlichen Verhandlung noch eine weitere Änderung des PFB vorgelegt hat. Sie betraf die „ausreichende Belüftung“, die trotz Schallschutzvorkehrungen und geschlossener Fenster in Altenwohnheimen, Schulen und Kindertagesstätten erforderlich sei – ein Sachverhalt, der bereits in den Einwendungen und bei der Anhörung immer wieder angesprochen wurde, im PFB dagegen bisher unberücksichtigt geblieben war. Seit dem Erlaß des PFB am 13.8.2004 hat man ständig davon lesen und in der mündlichen Verhandlung auch hören können, die Behörde habe dem Schallschutz großes Gewicht beigemessen und ein schlüssiges und ausgewogenes Schallschutzkonzept erarbeitet. Daß so kurz vor dem Ende der Verhandlung gerade beim Lärmschutz nachgebessert wurde, nachdem sich für die Behörde „… im Verlauf der mündlichen Verhandlung … Erkenntnisse ergeben haben“, zeigt in meinen Augen, daß Herr Brettschneider offenbar befürchtete, mit diesem hoch gelobten Konzept doch noch zu unterliegen – und das will er ja ausdrücklich verhindern. Ob mit dieser eher marginalen Nachbesserung beim Lärmschutz der PFB nun vor den Leipziger Richtern bestehen wird, wage ich allerdings zu bezweifeln.

Wer die Verhandlung in Leipzig miterlebte, wird genauso wie ich gespürt haben, daß sich in diesem Verfahren zwei Welten gegenüberstehen. Auf der einen Seite die Planer, die sich gemäß der politischen Vorgabe z.B. an einer in Schönefeld schon vorhandenen Landebahn mit Nachtfluggenehmigung, an den in Berlin mit Blick auf Tegel und Tempelhof noch immer üblichen und die Akzeptanz bestimmenden Entfernungsvorstellungen, an der einschlägigen jahrzehntelangen und „regelmäßigen“ Rechtsprechung zum Fluglärm und den höchst unseriösen Ansichten eines alten Lärmmediziners festhalten. Ihnen gegenüber stehen Betroffene und Gemeinden, die die Beurteilung einer drohenden Gesundheitsgefährdung selbstverständlich nicht einem Manne überlassen wollen, der es für tolerabel hält, wenn „nur“ 15 % der Kinder und Jugendlichen durch den Aufenthalt im ungeschützten und verlärmten Außenraum Gesundheitsgefährdungen davontragen. Diese Betroffenen haben andere Vorstellungen darüber, mit welchen Lösungen ein Interkontinentalflughafen für eine wiedervereinte Großstadt gebaut werden muß, der zumindest in den nächsten 50 Jahren betrieben werden soll.

Während das Gericht nicht in einem einzigen Moment auch nur andeutungsweise zu erkennen gab, wie es selbst zu den vorgetragenen Aussagen stehe, konnte man an den Reaktionen beider Seiten deutlich ablesen, welche Brisanz dem jeweils gerade von der anderen Seite Vorgetragenen beigemessen wurde. In ihren Plädoyers faßten alle Rechtsanwälte an den beiden letzten Verhandlungstagen ihre Positionen nochmals zusammen. Neben den mit Applaus bedachten Plädoyers „unserer“ Rechtsanwälte wird mir auch die Bemerkung eines Rechtsanwalts der Beklagten in Erinnerung bleiben. Er betonte, die bevorstehende Entscheidung des Senats werde auch für alle folgenden Flughafenprojekte in Deutschland und die dabei zu erwartenden rechtlichen Auseinandersetzungen maßgebend sein. Das will ich ausdrücklich unterstreichen. Wenn es nämlich gelingen sollte, den geplanten Bau in der beantragten Form zu verhindern, dann war dieser Kampf nicht vergeblich. Dazu müsste das Gericht wesentliche Änderungen des PFB verfügen, die den Bau zumindest sehr fragwürdig oder sogar unwirtschaftlich machen. Vielleicht gelingt es auch endlich, Lärmmedizinern das Handwerk zu legen, die ihre Aufgabe darin sehen, den Bau von Flughäfen zu Lasten der Gesundheit Betroffener zu ermöglichen, anstatt die Gesundheitsvorsorge in den Mittelpunkt zu stellen. Überall in Deutschland wird dann klar werden, daß der konsequente und sachkundige Widerstand vieler Betroffener gegen derartige Projekte erfolgreich sein kann.

Sollte jedoch alle Mühe umsonst gewesen sein und Herr Diepgen am Ende triumphieren, so können wir uns, wie RA Dr. Siebeck erklärte, auf Jahrzehnte in Deutschland vom Planungsrecht verabschieden. Es würde dann ausreichen, daß Politiker auch in Zukunft mit sachfremden Erwägungen und unter rechtsbeugender Beihilfe willfähriger Parlamente planerische Entscheidungen gegen jeden Widerstand aus der betroffenen Bevölkerung durchzusetzen vermögen.

Man kann nur darüber spekulieren, wie die Entscheidung des Senats wohl aussehen wird, die er am 16. März 2006 um 11.00 Uhr in Leipzig verkünden will. Sowohl ein glattes „Durchwinken“, als auch eine komplette Aufhebung des PFB halte ich für unwahrscheinlich. Dagegen ist anzunehmen, daß zahlreiche Änderungen durch das Gericht verfügt werden könnten. Allerdings ist das Bundesverwaltungsgericht nicht dazu da, die schlechte Planungsarbeit einer Behörde zu korrigieren. Offen blieb bisher auch die entscheidende Frage, wie das Gericht mit der Gültigkeit des LEP FS umgehen wird, der vor einem Jahr vom Brandenburgischen OVG für unwirksam erklärt wurde. Bekanntlich haben die Länder Berlin und Brandenburg mit einem beispiellosen Akt von Rechtsbeugung noch kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung versucht, dieses Urteil auszuhebeln.

Ich erinnere mich an mein Versprechen vom September 2004, als ich vollmundig im Müggelheimer Boten erklärte, ich freue mich schon darauf, das Scheitern des Projektes gemeinsam mit Ihnen bei einer großen Kaffeetafel auf dem Dorfanger zu feiern. Es bleibt dabei – aber lassen Sie mich bitte beim Kaffeekochen und Kuchenbacken nicht allein!