Berliner Salonkultur wiederbelebt
Müggelheimer Autor Gerhard Schmidt
feiert seinen 80. Geburtstag
von Fritz Kleinhempel
Der in Müggelheim lebende Schriftsteller Gerhard Schmidt hat vor 30 Jahren in Berlin-Mitte eine einst bedeutende Tradition wieder aufleben lassen: die Zusammenkünfte Gebildeter in geselligen Zirkeln und „Salons“ während der neuzeitlichen Bewegung bürgerlicher Emanzipation. Gerhard Schmidt führt regsame Menschen zusammen zu kritischen Diskursen, zu Auseinandersetzungen um Ideen und Haltungen in Gegenwart und Geschichte. Vertreter verschiedener Berufe treffen sich bei ihm mit Künstlern und Literaten.
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Schon der erste Schulmeister in Müggelheim, Johann Peter Tisch, bemühte sich ab 1749 die jungen Müggelheimer in Gottesliebe und Moral zu unterweisen und sie auch tüchtig Lesen und Schreiben zu lehren. Des Schulmeisters wissbegieriger Enkel gelangte zu Bekanntheit weit über Müggelheims Grenzen hinaus: der Pionier der Geodäse, Johann Jacob Baeyer (1794-1885). Seine Schrift „Über die Figur und Größe der Erde“ leitete das Entstehen der heutigen „Internationalen Union für Geodäse und Geophysik“ mit fast hundert Mitgliedsstaaten und Sitz in Brüssel ein. Baeyers in Berlin geborener Sohn Adolf (1835-1917) wurde als sehr bedeutender Chemiker 1905 mit dem Nobelpreis geehrt.
Zu weiteren durch wissenschaftliche, literarische und andere künstlerische Werke öffentlich hervorgetretenen bzw. berühmt gewordenen Müggelheimern (manche waren zugzogen) zählen der Dichter Curt Grottewitz (1866-1905), der Garten- und Landschaftsgestalter Walter Reinhold (1879-1962), der Maler und Kunstprofessor Johannes Maximilian Avenarius (1887-1954), der Schriftsteller Karl Reiche (1902-1959), der Physiker und Wissenschaftspolitiker Robert Rompe (1905-1993), der Historiker Herbert Pieper. International beachtet wird auch der in Müggelheims Heimatverein rührig tätige Martin Jahn, Schlosser, Schmied und Formgestalter, Pressezeichner und Karikaturist, dessen Ausstellungen bisher in mehreren Ländern zwischen Kanada und Japan zu sehen waren.
Seit 1979 kutschiert der auf seine Weise ebenfalls weitbekannte Hans Beeskow mit den Pferden vor seinen sachkundig gepflegten historischen Wagen und Schlitten Ausflügler durch die Müggellandschaft, Hochzeitsgesellschaften zu Kirche und Standesamt, sowie Prominente durch Berlin. Etliche Male war er schon bei der Ausstaffierung historischer Filme dabei und von den Müggelheimer Festen ist er auch nicht wegzudenken. Der Müggelheimer Schriftsteller Karl Reiche war Autor beliebter Abenteuerromane, die in der Reihe „Spannend erzählt“ des Berliner Verlags Neues Leben erschienen.
Nun ist seit drei Jahren, seit er hierher gezogen ist, der Schriftsteller Gerhard Schmidt ein weiterer bekannter Mann in Müggelheim - und Hans Beeskows unmittelbarer Nachbar. Diese beiden Großen ihres Metiers kennen sich seit Jahrzehnten und haben gut nachbarschaftlich ihre Freundschaft bekräftigt.
Zu den monatlichen Zusammenkünften in Gerhard Schmidts „Kritischem Salon“ kommt man jetzt also nach Müggelheim. Gerhard Schmidts schriftstellerische Arbeiten (der übrigens in der gleichen Buchreihe veröffentlicht, wie seinerzeit Karl Reiche) lassen ihn als begnadeten Literaten und aufrechten Humanisten erkennen, unausgesetzt im geistigen Ringen um Mündigkeit, Menschenrecht und ehrliche Demokratie. Aufklärung und Bildung, wie sie Johann Jacob Baeyer seinerzeit in Berliner Salons erlebte, so in der von dem Kriminalisten, Verleger und Schriftsteller Julius Eduard Hitzig (1780-1849) gegründeten „Mittwochsgesellschaft“, der die bedeutendsten Berliner Schriftsteller angehörten, tun wahrlich immer noch Not - immer noch, auf neue Weise und immer wieder!
In diesem Monat begeht Gerhard Schmidt seinen 80. Geburtstag, anregend und schaffensfreudig wie eh und je, im Kreise der Freunde und seines „Kritischen Salons“. Herzliche Glückwünsche!
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