Müggelheimer Bote
18. Jahrgang, Ausgabe 10/2011
Oktober 2011
Müggelheimer Bote

Inhalt
Müggelturm wird 50
So hat Müggelheim gewählt
Rund um den Flughafen Schönefeld
Ein flotter "Dreier" zum Herbstanfang
Sport-Prominenz im Fitnesscenter
Müggelheimer schreibt Promi-Kochbuch
Weitere Meldungen
Gedanken aus Müggelheim
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Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Rund um den Flughafen Schönefeld

Proteste, Gerüchte und Neugründungen

von Simone Jacobiu

Der Monat September war geprägt von vielen Aktionen rund um den Flughafen. Alle Betroffenen machten noch einmal richtig Dampf, um die Zeit vor der Wahl auszunutzen, Druck aufzubauen oder Zugeständnisse einzufordern. Auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sollte so von der Betroffenheit in der Region überzeugt werden. Auch hier galt deutlich zu machen, wie unzufrieden man mit der zurzeit geltenden Nachtflug-Regelung (Verbot zwischen 0 und 5 Uhr) ist.

Ein kurzer Überblick.

Großdemo 10. September

Zur letzten Großdemo in Schönefeld vor den Wahlen kamen deutlich mehr Betroffene, als auf den vergangenen Demonstrationen. Etwa 10.000 waren es, die lautstark und originell ihren Unmut über den falschen Standort und die Nachtflugregelung kund taten. Organisiert wurde die Demo diesmal vom Bündnis Südost und dem Bürgerbüro Lichtenrade. Franziska Borkenhagen vom Sprecherrat des Bündnisses Südost plädierte in ihrer Rede für die Einhaltung der Grundrechte: "Darin steht nichts von Wirtschaftlichkeit geht vor bürgerlichen Rechten." Und weiter: "15 Prozent unserer Nachkommen werden Schäden davon tragen, dass sagt selbst der Gutachter der Berliner Flughafengesellschaft, Dr. Jansen. Zehntausende Kinder werden in ihrer physischen und psychischen Entwicklung benachteiligt. Unsere Kinder werden geschädigt."

Auch der Ehrenvorsitzende des BVBB, Ferdi Breidbach kam zu Wort und sprach deutliche Worte. Aber er sagte auch etwas, dass vielen Hoffnung machte. Nämlich das nach den Informationen des BVBB eine Eröffnung des Flughafens am 3. Juni 2012 nicht möglich sei. Zu groß wären die Baumängel, zu hoch die Defizite im Sicherheitskonzept. Lassen wir uns überraschen, was jetzt, nach der Wahl, ans Tageslicht geholt wird. Kulturell umrahmt wurde die Veranstaltung erneut von Startenor Timothy Richards mit seiner Arie Nessun dorma (keiner schlafe) zu Beginn und der Rockband Silly zum Abschluss. Eine rundum gelungene Veranstaltung.

Menschenkette ums Kanzleramt

Die Protestwelle schwappte erneut in die Innenstadt Berlins. Die Bürgerinitiative Friedrichshagen hatte eine Menschenkette rund ums Kanzleramt organisiert. Die Kette des Erinnerns (weil sich jeder an ein ein Kilometer langes Band anknotete, analog den Taschentuch-Knoten) soll auch ins Guinnesssbuch der Rekorde eingetragen werden. Und trotz der Entfernung war der Erfolg überragend. Das Kanzleramt hätte von den etwa 8000 Demonstranten gleich mehrfach umrundet werden können. Auch aus Müggelheim war eine große Delegation vertreten, sogar an einem eigens ausgewiesenen Standort (siehe Foto). Bundeskanzlerin Merkel sollte mit dieser Aktion an ihre Versprechen erinnert werden. Mit Plakaten und Protestsongs machten die Demonstranten auf ihr Problem aufmerksam.

Neue BI Gosener Wiesen

Auch unsere Nachbarn aus Gosen sind inzwischen aufgewacht. Nachdem die Friedrichshagener Bürgerinitiative und auch die SPD Treptow-Köpenick sich gegen Überflüge des Müggelsees ausgesprochen haben, haben sie als Alternative eine Streckenführung über die Gosener Wiesen vorgeschlagen. Sehr zur "Freude" der Gosener. Knapp 300 Besucher zog es daher am 16. September zur konstituierenden Versammlung der Bürgerinitiative Gosener Wiesen. Auch die Gemeinde unterstützt die BI. Bürgrmeister Horst Buch forderte die Menschen auf, aktiv zu werden.

Die Gründer der Bürgerinitiative werfen den Friedrichshagenern Verlogenheit vor. Denn sie würden immer von 122 Überflügen pro Tag reden, von denen sie betroffen seien und dabei verschweigen, von wievielen Tagen im Jahr die Rede sei. Denn nur ein Drittel aller Abflüge würde in Richtung Osten gehen, von daher seien 122 Überflüge auch nur jeden dritten Tag zu erwarten.

Die Anflüge (Landungen) hingegen würden bereits jetzt alle über Gosen und Müggelheim gehen und sind auch für die Zukunft so geplant. Wenn nun noch die Abflüge (Starts) über die Gosener Wiesen geführt würden, hätte der Ort eine Doppelbelastung und den entsprechenden Lärm jeden Tag im Jahr. "Wir wollen kein Lärmklo werden", hieß es deshalb auch in einer Präsentation der BI. Unterstützt wird sie bereits von mehreren Bürgerinitiativen aus dem Umland. Dem Sprecherrat gehören die Gosener André Organiska, Gudrun Regestein, Thomas Schölzchen, Rainer Lenck und André Roland an. www.bi-gosener-wiesen.de


In Leipzig ging es um unsere Nachtruhe

Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hatte alle Klagen gegen den "Ergänzenden Planfeststellungsbeschluss" (EPFB) in einem Verfahren zusammengefasst. Neben den Musterklägern des BVBB hatten auch einige Umlandgemeinden geklagt, nachfolgend als Kläger bezeichnet.

Das Gericht sah keine rechtsformalen Mängel am oder im EPFB, die zu dessen Abweisung hätten führen können. Der Vorwurf der Kläger des Prozessbetruges (falsche Flugrouten) durch die Beklagte, wurde vom BVG als nachzusehender Fehler eingestuft. Denn es meinte, Flugrouten seien ja sowieso nichts Feststehendes. Sie werden oft geändert. Jedoch sah das BVG hier doch einen Mangel im EPFB. Es erlegte der Beklagten auf, im ersten Betriebsjahr des BER umfangreiche Schallmessungen durchzuführen und auf deren Basis mindestens neue Nachtschutzzonen festzulegen. Den darin befindlichen Bürgern sei Schallschutz zu gewähren.

Das BVG führte aus, dass Nachtflugbedarf spezifisch begründet werden müsse, da Nachtflug immer ein Eingriff in Rechte anderer sei. Nur der Wunsch von Politik und Wirtschaft reiche nicht.

Die Beklagte begründete den hohen Flugbedarf in Nachtrandzeiten mit der politisch gewollten, besonderen Funktion eines Hauptstadtflughafens. Aus der Zahl der Ist-Flüge 2008 aller drei damaligen Berliner Flughäfen sei über die Wachstumsprognosen des deutschen Masterplanes zur Entwicklung des Luftverkehr der Bedarf errechnet worden. Zudem habe die Politik das "Planungsrecht" und könne Beliebiges planen.

Hier widersprachen Kläger und auch das Gericht: Auch Planung sei an Recht gebunden. Das Gericht betonte, dass die Behörde eine Abwägung zwischen Belangen des Luftverkehrs und Schutzinteressen der Betroffenen vornehmen müsse. Die Beklagte sagte, dass sie rechtsfehlerfrei erwogen und beschieden hätte. Die Kläger rügten, dass passiver Lärmschutz unzulänglich sei, der EPFB nicht konform mit dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm sei, und dass sich aus der Fehlentscheidung des Standortes eben besondere, höhere Schutzmaßnahmen ergeben müssten. Zudem hätte die Beklagte in ihrer Abwägung ihren Spielraum immer bis an die Grenze des Rechtes zu Gunsten der Fluggesellschaften und zu Ungunsten der Betroffenen ausgenutzt.

Das BVG stufte Schönefeld BBI infolge einer Rechtsänderung in 2007 (Fluglärmschutzgesetz) überraschend als "Bestandsflughafen" ein. Alle Flughäfen, deren Bau oder auch nur Baugenehmigung vor 2007 liege (Baugenehmigung BBI war in 2004), seien nun so eingestuft. Das hätte zur Folge, dass es einen Vertrauensschutzanspruch – Beibehaltung der Ruhe – der Anlieger nicht gäbe. Sie seien ja an den Flugbetrieb gewöhnt.

Das BVG meinte, wolle man das rechtlich angreifen, müsse die Verfassungswidrigkeit des Fluglärmschutzgesetzes selbst festgestellt werden. Dafür bestünden kaum Aussichten.

Das BVG erfragte von der Beklagten, welches von zwei möglichen Verfahren zur Ermittlung der Schallschutzziele in Gebäuden genutzt wurde. Die Beklage führte aus, dass sechs Schalldruckspitzen je Nacht maßgeblich seien, deren jeweiliger Spitzenwert mit 55 dB nicht überschritten werden dürfe. Hier griff das BVG ein. Es sah die Werte als zu hoch an. Die Richter äußerten die Ansicht 53 dB könnten angemessen sein. Sollte sich das im Urteil dann so finden, hieße das, dass alle bisherigen ausgeführten Lärmschutzmaßnahmen an Gebäuden und auch noch nicht ausgeführte Vereinbarung und alle Berechnungen dazu für die Katz wären. Alles müsste neu berechnet und nachgebessert werden.

Die Kläger hatten im Vorfeld Ergebnisse der Lärmschutzforschung als Beweismittel zu Gericht gegeben. Dazu nahm die Beklagte Stellung. Sie führte aus, dass nach amtlichen Messungen in den Niederlanden 80 % der dortigen Bevölkerung mit einem Dauerschallpegel von 40 dBA beaufschlagt sei, und trotzdem seien sie gesund. Die Lärmforschung hat keine Ergebnisse, da zu jedem Gutachten ein Gegengutachten existiere.

Die Kläger verlangten von der Beklagten eine Klarstellung was unter dem schon im Urteil von 2006 als Ausnahme genehmigten "militärischen Flugbetrieb" in der ganzen Nacht zu verstehen sei. Sei das nur die Regierungsstaffel oder mehr? Hier waren wir dann vom Blitz getroffen. Die Beklagte erklärte, das sie dieses Ausnahmerecht so auslege, dass sämtlicher militärischer Flugverkehr in der Nacht (und am Tage sowieso) unbeschränkt erlaubt sei. Das seien alle militärischen Flugzeuge, auch aufmunitionierte Kampfflugzeuge oder Transporter mit Truppen, Waffen und Munition an Bord. Das betreffe sowohl die Bundeswehr als auch alle NATO-Verbündeten. Selbst Dritte Staaten könnten in Schönefeld militärisch fliegen, wenn die Bundesregierung es gestatte. Der Kampf gegen den Terror mache das nötig. Das Gericht schritt hier ein. Es nötigte der Beklagten eine Selbstbeschränkungerklärung ab, die lautet, dass unter dem genehmigten militärischen Flugbetrieb nur die Regierungsstaffel und artverwandte ausländische Fluggeräte, die für deren Regierungen fliegen, zu verstehen sei.

Man sieht: Gibt man dem Teufel den kleinen Finger... Der BVBB ruft Interessenten auf, zur Urteilsverkündung am 13. Oktober, 10 Uhr, nach Leipzig zu kommen. Bustransfer organisiert der BVBB. Gerichtsanmeldung ist nötig. Daher sofort beim Unterzeichner melden. Harald Kampffmeyer Ortsgruppensprecher BVBB Tel.: 65 94 29 08