Geschichten aus dem Müggelwald |
Kasperletheater in Leipzig
(diesmal für Erwachsene)
von Ingrid Zweiniger
An einem schönen Spätsommertag machen sich viele Ameisen auf den Weg nach Leipzig. Hier soll an zwei Tagen in einem wunderschönen Gerichtsgebäude darüber verhandelt werden, ob die Ameisen das Recht haben, in der Nacht in Ruhe zu schlafen.
Aber wenn das Haus auch noch so schön ist, ist das, was dort verhandelt werden soll, ist etwas ganz ganz Böses. Denn schon vor vielen, vielen Jahren haben die Ameisen darum gekämpft ihren Lebensraum in dem schönen Naturgebiet zwischen Brandenburg und Berlin nicht von den Flugviechern kaputt machen zu lassen.
Damals hatten die großen Tiere, die Wildschweine und Füchse darüber entschieden, dass der Flughafen in Schönefeld die Heimat von den Flugviechern werden soll. Und weil das Zuhause für die Flugviecher nun bald fertig gebaut ist, müssen sich die großen Tiere etwas einfallen lassen. So ein großes Zuhause kostet viel Geld. Und Geld kann man nur verdienen, wenn man egoistisch und gierig ist. Und das sind die Ameisen nicht. Sie sind ein emsiges, fleißiges, soziales und schlaues Volk. Deshalb hatten sich die Ameisen gedacht, dass der Uhu mit seinen Vögeln in Leipzig darüber entscheiden soll, ob die Ameisen wenigstens in der Nacht in Ruhe schlafen dürfen.
Aber so einfach ist das nicht, denn die vielen Jahre, die die Ameisen schon um ihre Rechte gekämpft haben, hatten ihnen gezeigt, dass es unheimlich schwierig ist, gegen die großen Tiere anzukämpfen. Die Ameisen haben in all den vielen Jahren erfahren, dass die großen Tiere Recht und Gesetz oftmals unter den Tisch kehren und nur zu ihren Gunsten im Sinne des Marktes und der Kohle entscheiden. Warum wurde damals die alternative Standortfrage zu Gunsten der großen Tiere entschieden? Diese Standortfrage war die Wichtigste für das Bauvorhaben. Die großen Tiere hätten Kohle ohne Ende verdienen können, ohne die Lebensräume der Ameisen und der Natur zu zerstören, wenn sie sich für den Standort Sperenberg entschieden hätten.
Aber nun war die Entscheidung da und deshalb wollten die Ameisen wenigstens noch ein klein wenig von dem Recht haben, das allen Tieren auf dieser Welt zusteht, das Recht, wenigstens in der Nacht für acht Stunden in Ruhe zu schlafen.
Die zwei Tage in Leipzig waren sehr anstrengend. Der Uhu und seine Vögel gaben sich Mühe, den Anforderungen des Rechts gerecht zu werden. Aber eine endgültige Entscheidung oder wie man es auch nennt, das Urteil, wird erst am 13. Oktober in Leipzig bekannt gegeben. Bis dahin hat der Uhu mit seinen Vögeln noch viel zu tun. Denn alles, was von den Ameisen und den großen Tieren gefordert wird, muss der Uhu überprüfen.
Und dann muss er am 13. Oktober sagen: "Ja ihr Ameisen, ihr habt Recht. Jede Ameise braucht die Nachtruhe, damit sie weiter in Frieden und Ruhe leben kann." Oder der Uhu sagt: "Ja ihr großen Tiere, ihr habt Recht, denn es ist richtig, dass so ein wichtiger Standort wie der Großflughafen Schönefeld Kohle reinbringen muss. Also fliegt mit euren Flugviechern so wie ihr wollt, ohne Rücksicht auf die anderen."
Aber noch haben die Ameisen nicht aufgegeben. Deshalb richten sie noch vor der Verkündung des Urteils in Leipzig einen Appell an die Regierung des Ameisen- und Großtierstaates:
"Auch wenn ihr groß und stark seid. Auch wenn ihr die politische Macht besitzt. Wer gibt euch das Recht uns Ameisen vorzuschreiben, wie wir zu leben haben. Wir wollen in dieser wunderschönen Natur keinen Großflughafen. Beschäftigt euch mit dem Umnutzungskonzept, welches es seit einigen Monaten gibt. Erarbeitet haben es die Ameisen. Dieses Umnutzungskonzept befürwortet den Bau des Flughafens in Sperenberg. Es befürwortet das friedliche und ruhige Leben, welches die Ameisen brauchen und es befürwortet den großen Berg Kohle, die die großen Tiere ohne Gewissensbisse verdienen könnten."
So einfach ist das. Habt ihr diesen Appell verstanden?
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