Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 08/2007
August 2007
Müggelheimer Bote

Inhalt
Kongresszentrum Seddinsee ist verkauft
Müggelturm: Investoren prüfen Kaufvertrag
Spreewiesen wieder in Eigentümerhand
Senioren erobern Schwarzwald und Elsass
Abschied vom "Herrn des Kaniswalls"
Müggelheimer Künstler im Porträt
Probleme mit dem Körpergewicht
Machbarkeitsstudie für Spreebrücke
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Probleme mit dem Körpergewicht

von MR Dr. Rolf Förster

Keine Angst, ich will hier keine neue Diät kreieren, die sowieso fast ohne Ausnahme in Endkonsequenz sinnlos ist. Denn einem anfänglichen Abnehmen folgt wieder eine überschießende Gewichtszunahme. Es sei dennoch vorweg gesagt: Eine Diät macht Sinn, wenn sie eine lebenslange Ernährungs- oder Verhaltensumstellung einleitet. Anderenfalls tritt eben der Jojo-Effekt ein. Vielmehr möchte ich mich mit einigen festgefahrenen Meinungen kritisch auseinandersetzen, ohne Sie allzu sehr zu verwirren.

Macht Süßstoff schlank?

Zuckerersatzstoffe sind praktisch kalorienfrei. Vielleicht machen Süßstoffe aber sogar eher dick als Zucker. Sie regen nämlich den Appetit an und führen so auf sekundärem Wege zu einer Gewichtszunahme. Wie das? In der Theorie lautet die Erklärung: Dem Körper wird eine süße Speise vorgegaukelt, Insulin wird vermehrt ausgeschüttet, der Blutzuckerspiegel sinkt und es entsteht oft ein übermächtiges Hungergefühl. Der Lebensmittelchemiker Pollmer meint: „Süßstoffe sind als Appetitanreger altbekannt und in der Tiermast bewährt. Auch beim Menschen sind sie eine interessante Option - aber nur, wenn man zunehmen will.” Dennoch gibt es auch gegenteilige Meinungen, und fest steht, dass sie für Diabetiker eine echte Alternative zum Austausch von Zucker sind.

Gibt es unterschiedliche Fettverwerter?

Es gibt Meinungen, dass bei verschiedenen Individuen eine unterschiedlich effizient arbeitende Darmflora dafür verantwortlich sei, dass der verfügbare Energiegehalt desselben Essens für verschiedene Menschen stark differiert. Dass z.B Dünne aus dem selben Teller Eintopf weniger Energie herausholen, als Dicke, lässt sich eher mit unterschiedlichem Kalorienverbrauch und damit auch mit dem sogenannten Grundumsatz erklären. Letzterer hängt u.a. auch mit den Bewegungsgewohnheiten zusammen. Aus Beobachtungen weiß man, dass sich Dünne täglich mehr als zwei Stunden mehr bewegen, als Dicke. Das Bewegungsverhalten und der Grundumsatz des Körpers scheinen - das haben Zwillingsstudien gezeigt - zum großen Teil in den Genen zu liegen. Es gibt zweifellos eine gewisse genetische Veranlagung, leichter zuzunehmen. Das muss aber nicht heißen, dass man dicker werden muss. Wer die Veranlagung hat, muss dann eben mehr aufpassen.

Zeigt der Body-Mass-Index (BMI) wie dick man ist?

Früher entsprach z.B. Körpergröße in Zentimeter minus 100 dem Normalgewicht. Heute hat sich der BMI durchgesetzt, der das Gewicht in Relation zur Körpergröße misst (Körpergewicht geteilt durch Körpergröße im Quadrat). Alles über 25 gilt im Allgemeinen als Übergewicht. Beide lassen aber den Körperbau außer Acht. Ein durchtrainierter, muskulöser Sportler rutscht schnell in den Bereich der Fettleibigen. Viel entscheidender ist aber der Quotient des Umfanges von Bauch zur Hüfte. Hiermit lassen sich zwei Fettverteiungsmuster messen: Birnentypen mit Fett am Gesäß sind besser dran, als Apfeltypen mit dickem Bauch. Denn beim Apfeltypen lagern sich Fettpolster in der Bauchhöhle an, was ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten zur Folge hat.

Sind Ballaststoffe gut gegen die Entstehung von Darmkrebs?

Dieses Dogma wurde 1970 von einem Tropenmediziner in die Welt gesetzt, weil er beobachtete, dass Afrikaner sehr faserreich aßen und seltener an Darmkrebs erkrankten. Übersehen hatte er allerdings, dass viele der beobachteten Personen das kritische Darmkrebsalter gar nicht erreichten. Das ernüchternde Resultat von 13 groß angelegten Studien: Eine ballaststoffreiche Ernährung scheint keinen Einfluss auf die Tumorentstehung im Magen-Darm-Bereich zu haben. Zweifelsfrei fördert sie aber das Sättigungsgefühl und den Stuhlgang.

Schützt wenigstens fett- und fleischarme Ernährung vor Krebs und Herzinfarkt?

Leider nein, denn die Ergebnisse neuer, frisch publizierter, großangelegter Studien müssen Ernährungsmediziner von ihrer bisherigen Lehre abrücken lassen, wonach sich 30 % aller Krebserkrankungen in den industriellen Ländern vermeiden ließen, wenn die Menschen dort sehr fettarm und reichlich Gemüse und Obst äßen.

Schwache Hinweise gibt es allerdings, dass ungesättigte Fettsäuren - sie sind besonders in Raps- und Olivenöl enthalten, zum Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen wichtig sind: Sie helfen Verklumpungen des Blutes zu verhindern, die zur Verstopfung der Gefäße, zu Hirnschlag und Herzinfarkt führen können. Etwas Hoffnung besteht auch, dass stark östrogenabhängige Formen von Brustkrebs bei den mit ungesättigten Fettsäuren angereicherten und fettärmeren Diät haltenden Frauen seltener auftreten, da bekannter Weise der Fettstoffwechsel eng an den Östrogenstoffwechsel gekoppelt ist.

Es schützt nicht vor Krebs, wenn man abends vor dem Fernseher sitzt und ununterbrochen Karotten kaut, sich aber sonst nicht bewegt.

Ein ungesunder Lebensstil mit Nikotin- und Alkoholmissbrauch sowie Bewegungsarmut, kann auch durch eine noch so gesunde Ernährung nicht kompensiert werden. Bei angebrochener Krebserkrankung sollte man sich energie- und vitaminreich ernähren, alles was schmeckt ist erlaubt!

Sind Schlanke wirklich gesünder?

Natürlich wissen wir, dass Übergewicht häufig mit erhöhtem Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes einhergeht. Aber sind hier Ursache und Wirkung immer so klar? Denn Stoffwechselstörungen, v.a. Schilddrüsenunterfunktion und Diabetes, führen oft erst zur Gewichtszunahme. Dennoch steigt eindeutig das Erkrankungsrisiko für den Diabetes Typ II bei Übergewichtigen. Wo fängt Übergewicht an? Jüngere Studien legen nahe, dass das angebliche Normalgewicht gar nicht optimal ist. Bisher galt ein BMI von unter 25 als gesund. Jetzt ist aber nachgewisesn, dass der Bereich zwischen 25 und 30 besser ist. Jedenfalls haben die vermeintlich Übergewichtigen laut Statistiken die höchste Lebenserwartung. Umgekehrt scheint Normalgewicht (BMI zwischen 19 und 25) sogar gesundheitliche Nachteile mit sich zu bringen auf jeden Fall aber das für Modelgrößen typische echte Untergewicht (BMI unter 19)!

Unstrittig ist, dass es bei einem BMI über 40 bedenklich wird. Aber auch solche wirklich Fettleibigen haben gar nicht selten eine zugrundeliegende Krankheit, der allein mit Abspecken nicht Herr zu werden ist. Übrigens haben „fitte Dicke” eine höhere Lebenserwartung, als schlanke, nicht durchtrainierte Menschen.

Bei Menschen, deren Übergewicht auf Fetteinlagerungen unter der Haut beruht und nicht auf eine tatsächlich bedenkliche Vermehrung des Bauchfettes, ist der einzig klare Gesundheitsnachteil eine Belastung der Gelenke. Großangelegte Studien haben ergeben, dass Diätempfehlungen bei Menschen, denen es insgesamt gut geht, die aber beim Körperumfang über dem liegen, was als gesellschaftliche Norm gilt, bedeutet, sie bei Erfolg früher ins Grab zu schicken.

Die Ergebnisse der neuesten, großangelegten Studie aus Israel von 2007 ergaben, dass leicht Übergewichtige bessere Aussichten auf Langlebigkeit haben als Schlanke. So würden z. B. Männer mit einem BMI von 25-27 (ein als leichtes Übergewicht eingestuftes Körpermaß) am längsten leben. Ein leichter Gewichtsanstieg im mittleren Alter sei danach offensichtlich ein natürlicher Prozess, den man nicht bekämpfen müsse.

Nebenbei ist die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken, für aktive Menschen, auch wenn sie schon über 65 Jahre alt sind, egal ob sie übergewichtig sind, um etwa 40 % reduziert. Ebenso scheinen steigende Cholesterienwerte im Alter über 70 Jahren mit einem verringerten Demenzrisiko verknüpft zu sein.

Abends essen setzt mehr an?

Es ist so, dass Magen und Darm zu jeder Tages- und Nachtzeit den gleichen Anteil der Nahrung verwerten. Die einzige Nebenwirkung einer Spätabend-Mahlzeit kann Völlegefühl im Bett sein. Die Erfahrung, dass ein warmes Essen am Abend dick macht, ist vor allem dadurch zu erklären, dass man sich abends mehr Zeit nimmt und dann auch größere Mengen isst. Allgemein neigen wir dazu, am Tag weniger zu essen und das dann durch eine Supermahlzeit am Abend überzukompensieren, vielleicht auch, um eventuelle Defizite vom Tag abends noch einmal auszugleichen.

Resümee: Wir haben durchschnittlich einen täglichen Bedarf von etwa 2000 Kilokalorien. Wann die aufgenommen werden, ist eigentlich egal. Aber auf keinen Fall sollte man bei der Kalorienzählerei den oft sehr hohen Energiegehalt alkoholischer Getränke vernachlässigen.

Schön fit und schlank durch Fettabsaugen?

Ersteres ist sehr umstritten, letzteres, das Versprechen einer besseren Gesundheit, aber schlicht falsch. Der Eingriff entfernt nur Unterhautfettgewebe. Für die Gesundheit ist dieses Fett nicht so relevant - der Stoffwechsel verändert sich nämlich auch nach großen operativ hervorgerufenem Gewichtsverlust kaum. Entscheidend ist das Fett in der Bauchhöhle, also zwischen den inneren Organen. Wird davon eine größere Menge entfernt, verändert sich auch der Stoffwechsel. Ein solcher Eingriff ist allerdings in höchstem Maße riskant und völlig indiskutabel. Beim normalen Fettabsaugen kommt das Fett in der Regel wieder, oft auch an derselben Stelle und leider dann auch im Bereich der Bauchhöhle.

Fortsetzung in der September-Ausgabe des Müggelheimer Boten