Geschichten aus dem Müggelwald |
Das schöne Ding
Eine tierische Geschichte aus dem Müggelwald
von Anne Müller
Als der Frühling kam und die Tage wieder länger wurden, erwachte die Vogelwelt auf dem Müggelsee zum Leben. Die Blesshenne Gabi war glücklich. Sie hatte sich im Winter mit Blesshahn Bert glücklich vereint. Der Nachwuchs war auf dem Weg und Gabi sammelte schon seit einiger Zeit Nistmaterial für das traute Heim. Bert hatte einen neuen geeigneten Platz im Schilfgürtel bei der Anlegestelle Rübezahl gefunden und die beiden freuten sich auf die bevorstehende Brut.
Während Gabi das Ufer durchkämmte, überlegte sich Bert neue Namen für die Kleinen. Auf keinen Fall Blessie, dachte sich Bert, so hatte seine Mutter einmal eine gesamte Brut benannt. Alle hießen sie damals so. Das war schrecklich einfallslos. Aber ehrlich gesagt war es schwer immer wieder neue Namen zu erfinden. Ob Gabi mit seinen Vorschlägen einverstanden sein würde? Wo war sie eigentlich um diese Zeit noch? Bert machte sich Sorgen.
Doch diese Sorgen waren unbegründet. Gabi durchsuchte immer noch den Schilfgürtel in der Nachbarschaft. Sie paddelte zufrieden mit vollem Schnabel heimwärts, als sie plötzlich im dichten Schilf ein wunderhübsches, bunt-glänzend und schimmerndes Ding entdeckte. Vor Schreck ließ sie alles fallen und flatterte aufgeregt dort hin um dieses herrliche und kostbare Etwas näher zu betrachten. Gabis Blesse wurde noch blasser im Vergleich zu diesem entzückenden kleinen Ding. Was war das? „Ich liebe es“, piepste Gabi und eine Freudenträne perlte ins Wasser. „Es soll meine beste Freundin werden.“ Mühsam nahm sie es in den Schnabel und ruderte euphorisch davon.
Zuhause konnte Bert seinen Augen nicht trauen: „Wo hast du denn dieses nutzlose Ding her. Das passt gar nicht zu dir! Sieht aus wie Konfetti.“ Wütend machte er einige Wellen mit den Füßchen. „ Ach Bert, du basteltest doch nur am Nistplatz herum. Was weißt du schon vom Leben“. Stolz betrat Gabi das fast fertige Nest. Hier würde das entzückende Ding wohnen können. Und Bert? Ja, der würde dann wohl gehen müssen. Zumindest vorübergehend. Wie würden die anderen Blesshühner gucken, wenn sie sie erst sehen mit diesem fantastischen Ding. Erblassen würden sie vor Neid. Wer weiß, vielleicht würde es ihr etwas an Herrlichkeit abgeben. Dann könnten sie beide um die Wette strahlen und wären mit der Sonne vergleichbar.
Bert zog sich wütend zurück und Gabi träumte von den Möglichkeiten, die ihr jetzt mit diesem Ding offen standen: Schauspielerin, Popstar oder Model wollte sie werden. In den nächsten Tagen arbeitete Bert für das Nest allein, während Gabi mit dem Ding kokettierte. Bei ihren Freundinnen kam das nicht gut an. Vor allem zeigte das Ding keine Manieren, es piepste nicht und konnte nicht paddeln. Die Mädels ruderten gelangweilt davon.
Was für eine Enttäuschung. Gabi gab nicht auf. „Die wissen halt nicht was schick ist. Diese blöden Landhühner.“ Stolz legte sie es auf das Nest. „Wo ist der dumme Bert nur?“ Das Ding wusste keine Antwort oder wollte ihr nicht helfen. „Sicherlich ist er zu seinen Blessie-Brüdern gezogen, die wissen auch nicht was gut ist.“ Zufrieden putzte Gabi ihre neue Freundin und schlief ein. Am nächsten Morgen war Bert immer noch fort und die anderen Blesshühner lachten laut über Gabi: „Mein Gott, dass die auf so ein hohles Ding reinfällt.“ Gabi wurde traurig. Bis jetzt hatte ihr das wunderschöne und fantastische Ding nur Ärger eingebracht. Schweren Herzens beschloss sie sich von ihm zu trennen. Stolz ruderte sie durch die kichernde Blesshühnergemeinde mit dem Ding zum Ufer.
Hier würde es sicher in Ehren verwahrt sein und sie konnte es so oft besuchen, wie sie wollte. Noch einmal rollte eine Träne aus Gabis Auge und sie schluchzte laut: „Adieu meine wunderschöne entzückende Freundin. Jetzt werde ich wohl nie berühmt werden.“ Leise aber erleichtert machte sie sich davon. Sie würde bald etwas ausbrüten und musste sich daher voll konzentrieren. Das Ding hätte ihr nicht helfen können.
Noch am selben Tag fand ein kleines Kind das herrliche und entzückende Ding am Ufer liegen: „ Mutti, was ist das für ein wunderschönes kleines Ding. Ich will es haben. Es soll meine Freundin werden.“ Die Mutter schaute entnervt drein: „Musst du immer alles was bunt ist mit nach Hause nehmen? Nein, so etwas brauchen wir nicht.“ Sie nahm das Ding und warf es in den nächsten Mülleimer. „Dass die Leute heutzutage alles liegen lassen. Aber hübsch anzusehen ist es ja doch“, dachte sie sich als sie es im Müll verschwinden sah und ging nach Haus.
Diese Geschichte würde hier enden, hätte nicht die aufmerksame Elster Heidemarie das Ding beim Schopfe gepackt und hinauf in die Wipfel in das Nest geflogen, wo eine neue Geschichte beginnt.
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