Serie für den Natur- und Gartenfreund |
Serien für den Natur- und Gartenfreund
Abschied vom Bambus
von Marianne Schäfer
Der Wonnemonat Mai mit all seinem großen Blühen war schon im April angekommen. Stiefmütterchen, Tulpen, Narzissen, Magnolien, Zierkirschen und Zieräpfel auch schon Flieder und dann entdeckte ich, auch der Bambus beginnt zu blühen. Nein, vielleicht habe ich mich getäuscht ? Ich rief sofort das Pflanzenschutzamt in Britz an. Leider haben sie meine Beobachtung bestätigt. Normalerweise freut man sich über jede Blüte, aber ich wusste, wenn der Bambus blüht, dann stirbt er. Ich freue mich über meine großen, vier Meter hohen Bambusbüsche, welche immergrün, im Winter manchmal tief vom Schnee gebeugt, in mein Veranda Fenster hinein sehen. Leicht wiegen sich die Halme im Wind und kaschieren das Schuppendach vorzüglich. Der eben so große, kompakte Bambusbusch an der Grundstücksgrenze ist eine schöne Sichtblende für beide Grundstücksbesitzer. Welche Gehölze können dann im nächsten Jahr diese Lücke füllen?
|
Blühender Bambus im zweiten Jahr |
Einige Leser werden denken, da war doch schon mal was mit Bambus? Richtig, das war die erste Art, welche aus Mittel-China über England und Dänemark nach Europa eingeführt wurde und dann Mitte der 90er Jahre geblüht hat. In Dänemark war die Bambusblüte sieben Jahre früher. Das war der Schirmbambus, lat. Fargesia murielae. Erstmalig konnte durch diese Bambusblüte auch korrekt die Gattung bestimmt werden. Seit dem heißt dieser Bambus nicht mehr Sinarundaria, sondern Fargesia.
Man sagt, Bambus blüht etwa alle 80 bis 100 Jahre. 1886 wurden die ersten Samen aus Mittel-China zunächst nach England, dann nach Dänemark eingeführt. Später kamen die ersten Pflanzen von diesen Samen nach Deutschland und Frankreich. Wenn man zurückrechnet, stellt man fest, dass die Büsche bei der ersten Bambusblüte 1995 mehr als 100 Jahre alt waren.
Es ist ein absolutes Phänomen, das nach der Blüte, welche dann bei der jeweiligen Art weltweit eintritt, nach der Samenreife alle Bambusbüsche und seien sie noch so mächtig und in besten Standortbedingungen stehend, braun werden, das Laub abwerfen und schließlich sterben.
Mit ihrer Humussubstanz geben sie den vorher reichlich ausgefallenen Samen die Lebensbasis für die neue Generation dieser Art. Man spricht heute von der genetischen Uhr. In der Heimat des Bambus, in Mittel-China, wird es dramatisch für die Tiere, die ihre Lebensbasis ganz und gar auf diese Pflanzen eingestellt haben, wie zum Beispiel den große Pandabären. Sein Lieblingsbambus ist aber eine größere Art, die bei uns noch kaum wächst. Die jungen, zarten Sämlinge sind aber bei anderen Tierarten wie Mäusen, Nagern, Vögeln begehrt, doch das plötzliche und überreichliche Angebot sichert trotzdem die weitere Existenz der Art.
Seit etwa zwei Jahren begann bei uns zögerlich die zweite Bambusart, der Cham-Bambus zu blühen. Die Blüte beginnt mit einer Vorblüte, das heißt: im ersten Jahr schieben nur aus wenigen Halmen der feinen Seitenstielchen kleine rotbraune Ähren wie beim Getreide. Danach sieht man feine hängende Staubgefäße (siehe Foto). Die Hauptblüte erfolgt im zweiten Jahr, wobei dann jeder Halm reichlich mit kleine Ähren besetzt ist, so dass der gesamte Bambusbusch rötlich-braun aussieht. Nach erfolgter Bestäubung reifen die Samen, fallen meistens im zweiten Jahr aus und gleichermaßen stirbt die gesamte Pflanze ab. Die Phasen gehen also über drei Jahre.
Der Cham-Bambus, Fargesia nitida hat seine Heimat auch in Mittel-China. Er wächst dort an Berghängen unter anderen Gehölzen. Tief unten in den Tälern fließt der Fluss „Cham“. Wasserstäube und Dunst steigt die Hänge hoch. Es ist ein Idealbild der chinesischen Landschaft. Genau so liebt es dieser Bambus. Humosen Boden, halbschattigen Standort, keine Staunässe. Seine schmalen, lanzettlichen Blätter sind blaugrün, die rohrartigen Stengel sind zunächst grün, grau bereift. Oberhalb werden sie rötlich glänzend. Bei Frost und Wassermangel rollen sich die Blätter ein. Er ist sehr frosthart und braucht wenig Pflege. Er ist immergrün, und bei uns gibt es keine Schädlinge und keine Krankheiten. Er kann über vier Meter hoch werden. Als Solitärpflanze ist er wunderschön und lässt sich gut in der Gartengestaltung verwenden. Ich liebe es, wenn seine gebogenen Wedel wie Kaskaden von oben über die nächst tieferen Wedel fallen. Leises Zischenln hört man, wenn sich, vom Wind bewegt, die kleinen schmalen Blättchen aneinander reiben. Es ist eine bewegliche Pflanze. Nicht starr und steif wie eine Konifere. Man kann den Bambus auch als Hecke pflanzen und in Form schneiden, aber dann geht die lebhafte Bewegung verloren. Ganz schlimm ist es, wenn der Busch mit Schnüren eng zusammen gebunden wird, dann hat man seine Schönheit nicht erkannt.
Der Schirm-Bambus, Fargesia murielae stammt ebenfalls aus Mittel-China. Seine Gestalt ist kleiner, etwa 2,50m in der Höhe und ebenso in der Breite. Die rohrartigen Halme sind dünn und auffällig gelb. Die etwas breiteren Blätter sind oberseits von einer satten grünen Farbe, unten sind sie matt blaugrün. Er ist ebenfalls frosthart, pflegearm und gesund. Er hat aber nicht den überhängenden Wuchs, wirkt kompakter.
Bisher wurde Bambus durch Teilung vermehrt. Junge Sprosse wurden abgetrennt, sorgsam aufgepflanzt. Später kam die moderne Vermehrung, Invitro, also in Pflanzenlaboren per Zellkultur. Alle diese Pflanzen basieren auf dem gleichen Ursprungsjahrgang, werden also blühen und dann ist die genetische Uhr bei allen Pflanzen abgelaufen.
Der Schirmbambus, F. murieelae, welcher Mitte der 90er Jahre blühte und Samen brachte, überraschte die Gärtner mit einer erstaunlichen Menge von Mutationen. Durch Auslese sind neue Pflanzen mit neuen Eigenschaften entstanden. Es gibt schwach- und starkwachsende, Pflanzen mit unterschiedlichen Blattfärbungen und anderen Rohrfärbungen. Neue Sorten sind entstanden wie: Simba, Bimbo usw. Eine neue Zukunfts-Art könnte Fargesia robusta sein.
Weitere Überraschungen könnte es von den zukünftigen Sämlingen der jetzt blühenden Art Fargesia nitida geben, aber es werden einige Jahre darüber vergehen.
Wer jetzt den Cham-Bambus im Garten hat, muss leider Abschied nehmen!
Ich kann mir meinen Garten ohne den geliebten Bambus gar nicht vorstellen und doch hilft nichts, Natur und genetische Uhr haben ihre eigenen Gesetze.
(Ich bedanke mich für die Fachinformation von Herrn Schaefer aus Britz)
|