Serie für den Natur- und Gartenfreund
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Die Frühlingsblume des Mai
Wer kennt sie nicht, die Zarte mit dem betörenden Duft. Die Blütenstengel sind graziös zurück gebogen, an dem die kleinen, weißen Glöckchen, mit den sechs Zipfelchen hängen. So lugt die Maiblume zwischen den hellgrünen, paarigen Blättern hervor, die wie ein Eselsohr geformt sind.
Das Maiglöckchen, lat. Convallaris majalis, wächst auch in unseren Wäldern und steht unter Naturschutz. Teppichartig verbreitet sich die Ansiedlung zwischen Bäumen und Farn an durchsonnten Stellen.
Sie ist giftig, aber ihr Gift wurde schon im Mittelalter als Herzstärkungsmittel an gewendet. Die Äbtissin Hildegard vom St. Ruprechtsberg bei Bingen ( 1098 – 1179 ) erwähnte sie in ihrer Physica.
Der Überlieferung zufolge hat man im 16. Jahrhundert ein kostbares Elixir, ein eau dòr (=frz., Goldwasser ), gewonnen, indem man Maiglöckchen in verschlossenen Gläsern 30 Tage lang in einen Ameisenhaufen setzte. Die dadurch entstandene Flüssigkeit galt als das beste Mittel gegen Gicht und verlieh dem Patienten zudem die wertvollste Eigenschaft, nämlich den gesunden Menschenverstand, wenn er Stirn und Nacken damit betupfte.
Erasmus von Rotterdam, der große Humanist und Kritiker kirchlichen Pomps, stellte sich zur Porträtsitzung mit Dürer ein Sträußchen aus Veilchen und Maiglöckchen aufs Gelehrtenpult. Vielleicht kannte er ja das Rezept für eine Tinktur, die der „Hortus sanitatis” überlieferte: Diese wurde gemixt aus Maiglöckchendestillat, vier Pfefferkörnern und etwas Lavendelwasser und stand im Ruf, auch den gesunden Menschenverstand zu fördern.
In der Gotik wurde die Blume gemeinsam mit Lilie und Rose, Schwertlilie und Akelei der Maria zugeordnet und erscheint auf Gemälden zu Füßen der Mutter Jesu. Einer Legende nach ist das Maiglöckchen den Tränen entsprungen, die Maria am Kreuz vergossen hat; auch soll der Duft dieser Blumen dem Menschen dazu verhelfen, sich eine bessere Welt vorzustellen. Wir sehen; schon seit vielen Jahrhunderten hat uns das Maiglöckchen zur Gesundheit für Körper und Geist geholfen.
Das Maiglöckchen gehört zu der großen Pflanzenfamilie der Liliengewächse, wie auch die Traubenhyazinthen, Kaiserkronen und Schachbrettblumen, um nur einige zu nennen. Die Blüten haben keinen Nektar. Um Insekten anzulocken muss sie sich mit einem besonderen Weiß „hervortun”. Frühere Botaniker nannten das Maiglöckchen „Lilie der Täler” – Lilium convallium. Im Volksmund nannte man es Zeupchen, Maischellchen und Heil der Welt. Wer das Maiglöckchen geschenkt bekommt, dem soll es Glück bringen. Vielleicht wurde deshalb das Maiglöckchen zur Konfirmation und auch zur Hochzeit gern verwendet.
Das Maiglöckchen ist züchterisch nur wenig verändert. Die Blütenglöckchen sind rundlich und etwas größer als das wilde Maiglöckchen im Wald. Eine natürliche Mutante ist das rosa blühende Maiglöckchen.
Ich selbst habe als Gärtnerlehrling bei einer „Exkursion” einmal eben solche gefunden. Ich gestehe, heimlich damals eins ausgegraben zu haben. Das war 1953. Fünf mal bin ich seit damals umgezogen und niemals habe ich vergessen, meine Maiglöckchen mit zu nehmen. Sie werden in diesem Mai, nach 50 Jahren wieder, ganz unauffällig bei mir im Garten blühen. Weitere Züchtungen sind gefüllt blühende oder mit gelb gestreiften Blättern. Maiglöckchen können in der „Treiberei” schon zu Weihnachten zum Blühen gebracht werden.
Da sie nur am dreijährigen Spross blühen, müssen die Wurzelrhizome sortiert und getrennt werden. Nur die dreijährigen Sprossen kommen in die Treiberei. Die lange Entwicklungszeit bis zur Blüte und das Zertreten der nicht noch blühenden Blatttriebe beim wilden Maiglöckchen führt zum Verlust der seltenen Bestände im Wald.
Wer diese Maischellchen auch in seinem Garten haben möchte, kann sie am Besten von einem anderen Gartenbesitzer bekommen. Wer sie einmal im Garten hat, muss der Wucherin bestimmt mal Einhalt gebieten. Sie ist die Blume für den Naturgarten. Als Unterpflanzung von Haselbüschen und Brombeeren sind sie bestens geeignet. Als Ergänzung sind Farne und Funkien auch Japananemonen wunderschön. Maiglöckchen sind immer gesund und können ganze Bereiche im Garten begrünen, so dicht, dass kein Unkraut eine Chance hat. Im August beginnen sich die Blätter mit bronce/gelben Herbstfarben zu schmücken. Vereinzelt hängen an Stielchen blaue Samenkügelchen. Ihre Hauptvermehrung ist aber durch Rhizome (unterirdische Sprosse). Sie bereiten sich auf den Winter vor, die Ruhezeit. Im nächsten Frühjahr schieben sie ihre violett braunen Nasen aus dem winterbraunen Laub und bald ist alles Maigrün mit den weißen Tupfen dazwischen. MS
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