Sportlergrößen in Müggelheim III
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Schwierige Nachkriegszeit auch für Sportler: Radrennfahrer „Hanne” Weihe
von Gisela Winkelmann
Nach dem 2. Weltkrieg galt es nicht nur, das Land neu aufzubauen. Auch der Sport und die Kultur mussten wieder präsent werden. Hans Weihe war im Frühjahr 1948 gerade 15 Jahre alt, als er dem Radsportverein Köpenick beitrat. Der unzerstörte Ratskeller im Köpenicker Rathaus konnte als Vereinslokal genutzt werden.
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1952 wurde „Hanne” Sektionsstraßenmeister. Foto: privat
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„Meinen ersten Start und zugleich meinen ersten Sieg werde ich nie vergessen. Die Strecke ging um den Müggelheimer Dorfanger in Richtung Köpenick bis zur alten Müggelheimer Chaussee und zurück. Nach dieser 20 Kilometer-Tour tat eine Erfrischung in der Gaststätte von Liesbeth Sprecher am Anger gut”, erinnert sich der Radsportler. Heute befindet sich in der alten Sportler-Gaststätte das Ristorante Da Lucca. Die Gaststätte diente den Sportlern damals auch als Umkleideraum.
„Am Anfang besaß ich nur ein Tourenrad. Von einem Rennrad konnte ich nur träumen. Dann bekam ich aus dem Nachlass meines Onkels Erwin einen Radrahmen. Beim Tauchen im Kaulsdorfer See brachte ich einen verrosteten, passenden Lenker zu Tage, welch ein Glück. Der Müggelheimer Stephan Lodyga, genannt Reifenflicker, machte aus zwei Schläuchen einen und half auch sonst, wo er nur konnte”, erinnert sich „Hanne” an diese schweren Zeiten. In der Müllgrube suchten die Kinder nach Kupferdraht. Der Erlös des damals so wertvollen Metalls brachte die ersten Rennreifen - und fast fertig war das lang ersehnte Rennrad.
Erfolge
- 3x Post-Straßenmeister
- Siege: Mehrmaliger Berlin-Mannschaftsmeister 100 km
- DDR-Vize-Mannschaftsmeister 100 km
- Leipzig-Berlin
- Berlin-Bad Freienwalde-Berlin
- Berlin-Prenzlau-Berlin
- Diverse Siege bei Etappenfahrten rund um Berlin
- DDR-Rundfahrten/Sternfahrten
auf der Winterbahn in der Werner-Seelenbinder-Halle, auf Aschebahnen u. Zementbahnen.
- Platzierungen unter den ersten Zehn z.B. Berlin-Cottbus-Berlin (280 km, 3. Platz), Berlin-Angermünde-Berlin (3. Platz)
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An die Zeiten davor denkt Hans Weihe jedoch nur mit Schrecken: die Kriegsjahre. Sein Onkel Erwin Bock war Radsportler und Kunstradfahrer. Er war im linken Sportverband „Fichte” organisiert. In der Köpenicker Dorotheenstraße wohnhaft, wurde er 1939 von SS-Männern aus seiner Wohnung gezerrt und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Dort starb er nach 14 Tagen Haft. Ihm zu Gedenken wurde die Erwin-Bock-Straße im Allende-Viertel II benannt. Hanne hat jedenfalls das Andenken an seinen Onkel mit vielen großartigen Siegen auf seinem „Patchwork-Rennrad” gewahrt.
Im Jahr 1951 fing er bei der BSG Post an: „Ich kam in die Jugend-Nationalmannschaft. Nun ging es nicht nur sportlich aufwärts, auch materialmäßig verbesserte sich die Situation. Der damalige Postminister Burmeister trug wesentlich dazu bei. Er setzte sich großartig für den Sportverein ein.” Als 18-Jähriger kam Weihe zur Männermannschaft. Das war 1952. Wieviel Kraft und Energie für eine 100 oder 280-Kilometer-Strecke notwendig sind, ist vorstellbar. Zur Rennverpflegung gehörten Haferschleim, Eierkuchen und Margarinestullen - von Muttern selbst gemacht. „Als ich dann 1953 in die Leistungsklasse I kam, erhielt ich eine zweite Lebensmittelkarte. Da war Jubel angesagt”, beteuert Hans Weihe.
Gerade zwei Mal in der Woche trainierte der 1,86 Meter große Radrennsportler, dienstags den ganzen Tag, donnerstags den halben. Denn seinen Beruf als Rundfunkmechaniker wollte er nicht aufgeben. Trotz Trainingsdefizits bedeutete das für ihn keinen Abbruch der großen Erfolge.
Die Technik entwickelte sich in diesen Jahren rasant, die Sportmedizin hingegen war im Anfangsstadium. So wurde beispielsweise nicht erkannt, wie wichtig die Flüssigkeitszufuhr ist.
„Ich habe die Zeit leider nicht mehr aktiv miterleben können, wo man nur den Arm zu heben braucht um ein neues Laufrad mit ganzen Reifen oder eine Flasche Wasser zu bekommen. Auf der Strecke Berlin-Cottbus-Berlin über 280 Kilometer wäre ich fast vertrocknet, wurde aber trotzdem noch dritter.” Bei Reifenschäden war damals nur Eigenhilfe erlaubt, jeder musste zwei Reifen am Mann haben. Wasser oder andere Getränke von Zuschauern am Straßenrand anzunehmen, war streng verboten.
Den schwersten Mannschaftssieg errang Hans Weihe 1956 auf der Strecke Rostock-Schwerin - bei einem Orkan mit Windstärke 9-10.
Nach seiner aktiven Laufbahn als erfolgreicher Radrennsportler, arbeitete er noch von 1961 bis 1965 als Trainer im Postverein.
Schon in der Jugendzeit eng verbunden mit Müggelheim, lebt der heute 69-Jährige seit 1975 im Ort. Er fährt immer noch mit dem Rad. Lange Touren mit Ehefrau Gitta und dazugehörigem Picknick sind im Sommer angesagt. Zur kalten Jahreszeit sitzt er gerne im Wintergarten. Bei Kaffee und Kuchen zeigt Hanne Fotos von einem Besuch bei Max Schmeling in Bad Saarow (1951), von Täve Schur und vielen anderen Sportlergrößen.
Doch bei einer Erinnerung rollen dem hart erprobten Sportler die Tränen aus den Augen. „Mein schlimmstes Erlebnis war, als Erich Schulz 1956 auf der Etappe Halle-Gotha den tödlichen Sturz erlitt. Unser Mannschaftskapitän, unser aller Vorbild, unsere Ikone brach sich das Genick. Er war damals 42 Jahre alt“, trauert Weihe noch heute. Zum 40. Todestag trafen sich an dem Denkmal, das an der Strecke errichtet wurde, mehr als 70 Sportler, um seiner zu gedenken.
Eine Etage tiefer, im Keller von Hans Weihe, stehen seine alten Straßenmaschinen, so nennt er seine Rennräder. Die Räder von 1954 sehen aus wie aus dem Ei gepellt. Unmengen an Siegerschleifen, es könnten 50 oder mehr sein, sind sorgfältig verwahrt. „Die anderen ehemaligen Postsportler halten es ähnlich, denn wir haben noch gute Kontakte untereinander. Bei den jährlichen Treffen der Radrennfahrer kommen in Berlin, Leipzig oder Tirol schon mal 120 bis 230 Sportler zusammen“.
Hanne wollte damals kein Berufsrennfahrer werden. Die Familie, seine Arbeit, die Liebe zur Natur und ganz sicher der Sport sind und waren immer wichtig für ihn. Sein einziger Sohn ist nicht in die Fußstapfen des Vaters getreten, er wurde Rudersportler. Hans Weihe meint abschließend: „Das alles sind nur Bruchteile aus meiner Rennfahrerkarriere. Im Grunde war es eine irre Zeit, auch wenn es nichts gab. Man hatte nur die Jugend und viel Power.”
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