Müggelheimer Bote
13. Jahrgang, Ausgabe 03/2007
März 2007
Müggelheimer Bote

Inhalt
Reinigung ohne Konzept
Lärmexperte sagt starke Belastung voraus
Welcher Name passt zu welcher Straße?
Perspektivwechsel: Gesprächsabende in der Alten Schule
Winterzeit - Einbruchzeit?
Weitere Meldungen
Karikatur
Gedanken aus Müggelheim
Aus den Vereinen
Aus der BVV
Neues aus Treptow-Köpenick
Kleinanzeigen
Heimatverein
Kirche
Serie für den Natur- und Gartenfreund
Geschichten aus dem Müggelwald
Archiv
Müggelheim im Internet
Impressum
© 2007
Müggelheimer Bote





Realisation:
www.lektoria.de
 
Serie für den Natur- und Gartenfreund

Besonderheiten für den Garten

von Marianne Schäfer

Es gibt verschiedene Gründe, aus denen man ein paar besondere Pflanzen im Garten haben möchte. Ein Grund ist, wie bei Herrn Schulz aus Senzig, dass er das Besondere der Gartengestaltung und die dazu passenden Pflanzen bei Karl Foerster in Bornim kennen und lieben gelernt hatte. Er verehrte den Staudenzüchter und Gartenphilosophen. Ich dagegen benötigte für schattige Gartenpartien ein paar geeignete Pflanzen. Und ich wollte gerne den Mann kennen lernen, der zu DDR-Zeiten mit seinem Angebot verhältnismäßig seltener Pflanzen als „Geheimtipp“ galt. Also fuhr ich eines Tages, Ende der 70er-Jahre, mit einer Freundin zum Gärtner Schulz. Als wir ankamen, war ich etwas verwundert, denn ich hatte Gewächshäuser und Frühbeetkästen sowie lange Beete mit Gehölzen und Stauden erwartet. Es war ein Garten mit Wohnhaus, letzteres war von dunkelgrünen Douglasien umstanden. Am Eingangsweg auf einem großen Stein stand eine Glocke, mit der wir läuteten. Seine Frau kam aus dem Haus und sagte uns: „Gehen sie nur in den Garten, irgendwo ist mein Mann.“ Und so gingen wir auf festen Sandwegen welche niemals gerade verliefen, sich aber oft verzweigten.

Hübsche Nadelgehölze gaben das Gerüst der Gartenanlage. Es gab sonnige und schattige Partien, um die blühende Gehölze wie Sternmagnolien oder Mandelhochstammbäumchen standen, Blattschmuckstauden wie Funkien, Farne oder Gräser. Sie begleiteten die interessantesten blühenden Stauden. Dicht am Wegrand wuchsen niedrige Kissenpriemeln, Küchenschellen und Aurikeln. Am kleinen Gartenhäuschen, welches aus groben Brettern gebaut und mit Schilfmatten verkleidet war, stand im Schatten eine größere Gruppe Himmelsschlüsselchen und dahinter mehrere verschiedenfarbige Akeleien.

Wir gingen immer weiter und entdeckten immer wieder neue, hübsche Pflanzen. Da kam uns der Gärtner entgegen. Es war ein Mann nicht größer als ich selber. Seine Haut war braun und von Wind und Sonne gezeichnet. Er hatte ein freundliches Gesicht und fröhlich leuchtende Augen. Im Mund eine dicke Zigarre. Er begrüßte uns und fragte ob wir schon etwas gefunden hätten. Wir sagten nein, weil wir so viel schöne Pflanzen gesehen hatten. „Lassen sie sich Zeit, sie finden mich ja hier“, sagte er. Mit leicht gebückter Haltung ging er weiter. Ein kleines, blaues Rauchwölkchen von der Zigarre wehte hinter ihm her. Wir fanden an einem großen Gartenteich eine Bank und setzten uns. Viele Frösche gaben ein prächtiges Konzert. Meine Freundin stieß mich an. „Sieh mal“ und zeigte auf die Ecke der Bank. Da lag ein Zigarrenstummel. Wir schmunzelten und ließen die friedliche Stimmung, das Blühen und den wunderschönen Garten auf uns wirken. Es war mitten in der Woche und wohl deswegen waren wenige Kunden hier.

Wir fanden dann Herrn Schulz, der gerade eine kleine Hemlockstanne ausgrub. „Ich komme gleich,“ rief er. Paffte noch einmal kräftig an der Zigarre und legte den Stummel auf einen Stein. Meine Freundin wollte ein paar Akeleien und eine Pfingstrose haben und ich eine Klematis und ein paar Frauenhaarfarne. Mit einem Schippchen, welche überall in den Beeten steckten, grub er die kleinen Pflanzen aus und setzte sie in eine Kiste. Dann steckte er sich eine neue Zigarre an und begann die Preise zusammen zu rechnen. Jetzt konnte ich ihn fragen, ob er Karl Foerster kannte, ich hätte das Gefühl, dass der Garten, so naturbezogen er war, doch eine gewisse Prägung von Foerster hätte. Da strahlte er über das ganze Gesicht. „Ja, der Karl Foerster hat mich geprägt, hat mir die Liebenswürdigkeit all dieser Pflanzenwesen und ihre Schönheitswunder nahe gebracht. Gerne verkaufe ich an Menschen, die die Pflanzen auch lieben und schätzen. Es hat sich einfach herum gesprochen, das ich von meinen Pflanzen, die ich natürlich vermehrt habe, verkaufe. Wissen sie“, sagte er als wir in der Sonne standen, „ich bin gar kein gelernter Gärtner. Der Garten ist schon immer mein geliebtes Hobby gewesen und nun habe ich das Hobby zu meiner Lebensbasis gemacht. Ich werde noch etwas Land pachten und die Anlage vergrößern. Der Bedarf ist da. Nicht jeder will nur Blumen aus der Samentüte.“ Wir verabschiedeten uns und fuhren lächelnd nach Hause.

Zwei Wochen später, an einem Sonnabend, fuhren wir noch einmal nach Senzig. Diesmal waren wir nicht alleine. Viele Menschen wandelten auf den schmalen Wegen. Machten sich gegenseitig auf etwas Besonderes aufmerksam, warteten das Herr Schulz mit seinem Schippchen und einer Kiste zu ihnen käme. Ich beobachtete gerade, wie ein elegant gekleidetes Ehepaar mit Herrn Schulz sprach. Dabei tippte der Mann mit seinem Schuh dicht an eine Pflanze. „Diese möchte ich kaufen“. Seine Frau tippte mit der Spitze ihrer hochhackigen Pumps an eine größere Pflanze, bohrte, als wolle sie schon ein paar Wurzeln frei legen. „Nein, ich will aber die haben.“ Herr Schulz paffte noch einmal kräftig an seiner Zigarre, nahm den Stummel aus dem Mund und sagte: „Nein, das kann ich leider nicht machen, diese Pflanzen sind schon bestellt.“ Dann drehte er sich um und ging zu einem anderen Kunden.

Derweil hatte ich mir ein paar verschieden blühende Lerchensporne ausgesucht, auch noch eine schöne blaublättrige Funkie und ein Paar Astilben. Alles Pflanzen, die Schatten lieben. Als er auf uns zu kam, erkannte er uns schon. „Ach die Foersterfans“ begrüßte er uns. Ich zeigte ihm meine gewünschten Pflanzen. Bückte mich zu den zarten Lerchenspornen, wie fein sind die blaugrünen gefingerten Blättchen und auch die Stielchen. Er nahm seine Schippe und grub die Pflänzchen aus. Sie kamen in einen Blumentopf und dann in die Kiste. Dann rechnete er den Preis aus und wir bezahlten. Dabei sagte er: „Wissen sie, wer keine Achtung und keine Liebe für meine Pflanzen hat, wer mit dem Fuß die Pflanzen tritt, dem verkaufe ich nichts!“ Er sah mir lächelnd in die Augen, steckte sich eine neue Zigarre an und ging zu den nächsten Kunden. Eine kleine blaue Zigarrenrauchwolke schwebte noch um uns.

Die Pflanzen, die ich damals bei ihm kaufte, habe ich noch in meinem Garten. Aus den drei Lerchenspornen sind hunderte geworden. Im April blühen sie überall. Manchmal sitze ich dann auf meiner kleinen Gartenbank und denke an den netten Gärtner Schulz in Senzig.