Der Traum vom Nordkap
Müggelheimer Schlittenhundführer bietet Ausfahrten mit Huskys an
von Simone Jacobius
„Nicht erschrecken, es handelt sich um ein Abenteuer-Grundstück“. Die Ankündigung von Onkel Zottel alias Lutz Engelhardt war nicht untertrieben. Keine Klingel an dem Zaun, der seine besten Tage hinter sich hat? Macht nichts, die Hunde werden es richten. Denn schon zur Begrüßung springen die vier Huskys am Zaun hoch, so dass man Sorge haben muss, dass sie sich verletzen. Es reicht, dass Herrchen aufmerksam wird und mich aufs Grundstück lässt. Ungestümt springen die Hunde an mir hoch, um gleich darauf mit einander im Schnee zu balgen und fangen zu spielen. Sie sind lieb, schnuppern, springen hoch, wollen spielen.
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„Onkel Zottel“ ist nach seinen Worten Berlins einziger Anbieter von Schlittenhundrundfahrten. In Brandenburg gibt es allerdings noch einige andere. Spezialisiert hat er sich auf Kindertouren. „Deswegen müssen meine Huskys auch ganz lieb sein. Sie sind gut erzogen“, schmunzelt der Mann in Western-Kluft. Der Lederanzug mit den Fransen ist seine Arbeitskleidung, strapazierfähig und warm. Und das muss es auch sein, wenn er sich teilweise mehrere Stunden im offenen Wagen durch Berlin ziehen lässt. Und das macht er regelmäßig. Denn das Grundstück an der Berghauser Straße 22 wird nur fürs „Überlebenstraining“ genutzt, ansonsten bewohnt Zottel eine Wohnung im Wedding, mit einem 25 Quadratmeter großen Extrazimmer für die Hunde. Doch mindestens die Hälfte der Woche hält er sich in Müggelheim auf.
Die 45 Kilometer zwischen Wedding und Berghauser Straße legt er natürlich im Gespann zurück. Etwa zwei Stunden ist er mit seinen Tieren dafür unterwegs. Und die toben anschließend immer noch im Garten herum, während Herrchen sich erschöpft einen Kaffee brüht. „Die Hunde können 50 bis 80 Kilometer in einem Stück laufen, bevor sie eine längere Pause benötigen“, erzählt er. Deswegen seien sie natürlich noch nicht ausgepowert nach den Stadtfahrten.
Wenn die vier Huskys losziehen mit ihrem Zweisitzer hinten dran, dann legen sie ein gutes Tempo vor. 35 bis 40 Stundenkilometer haben sie auf dem ersten Kilometer, bis sie dann ihren Rhythmus gefunden haben und etwa 10 bis 15 Stundenkilometer schnell laufen. Einen Zügel wie bei einer Kutsche gibt es bei einem Husky-Gespann nicht. „Sie reagieren nur auf Zurufe wie links, rechts, steh und hopp. Deswegen ist die Erziehung so wichtig“, erläutert der Mascha, wie Schlittenhundführer in der Fachsprache heißen. Dabei seien die Weibchen allerdings gelehriger, als die Rüden.
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"Onkel Zottel" und "Dogliner" André Schütz (rechts) verteilen Leckerlis an die Huskys. Fotos: Jacobius |
Zurzeit haben die Huskys „Hochsaison“. Jetzt ist ihre Jahreszeit. Über zugefrorene Seen laufen, im Schnee herumtollen - das ist ihre Welt. Wenn die Temperaturen langsam steigen, achtet „Onkel Zottel“ auf die Ruhephasen der Tiere. „Bei mehr als 15 Grad dürfen sie nicht mehr unter großer Belastung laufen“, erklärt er. Deswegen findet vor allem jetzt das Ausdauertraining statt.
Lutz Engelhardt ist mehr durch Zufall an sein Hobby geraten. Der gelernte Garten- und Landschaftsbauer war nach einem Motorradunfall nicht mehr vermittelbar. Um nicht nur Zuhause herumzuhängen, besorgte er sich einen Hund - einen Husky. Aber Huskys sind Rudeltiere. Also musste ein zweiter her. Und da es sich nun um eine Hündin und einen Rüden handelte, ließ der Nachwuchs nicht lange auf sich warten. Inzwischen halten Mutter Schei und Vater Nanuck mit Polly und Ninuck ihr Herrchen ganz schön auf Trab.
Für Ausfahrten wird das Gespann vor einen der beiden TÜV-geprüften Wagen gespannt, oder auch vor den Schlitten. Bei seinen Fahrten verfolgten ihn immer die sehnsüchtigen Blicke der Kinder. Deshalb ist er auf die Idee gekommen, sich auf Kindertouren zu spezialisieren. Ein bis zwei Kinder kann der „Mascha“ bei den Ausfahrten mitnehmen - aber nur mit Helm. Im vergangenen Jahr hat er erstmals zu Weihnachten eine Kinder-Aktion geplant. Er sammelte gebrauchtes Spielzeug um ein Kinderheim zu unterstützen und hat zusätzlich die Kleinen kostenlos mitfahren lassen. „Das war ein Spaß für die Kinder“, schwärmt er noch immer. Das will er jetzt zur Tradition machen, jedes Jahr zur Weihnachtszeit plant er anderen Kinderheimbewohnern eine Freude zu bereiten.
Aber auch sonst hat der Mann mit dem zotteligen Bart große Träume. Er will mit seinem Gespann zum Nordkap reisen. Deswegen schon das Überlebenstraining für ihn in der Müggelheimer Hütte - ohne Wasser und ohne richtigen Strom. Doch ohne Sponsoren schafft er das Vorhaben nicht. „Schon ein Schlafsack für diese Minustemperaturen dort oben kostet eine Stange Geld, dann kommen noch Futter und andere Ausgaben hinzu“, zählt er auf. Hier in Müggelheim wird er vom Fleischer gesponsort, was das Futter anbelangt. Doch das klappt nicht am Nordkap. Also sucht er Sponsoren und bietet Schlittenhundrundfahrten gegen Spenden an. Wer Interesse hat, kann einen Termin unter 0175-812 54 76 vereinbaren. Und wenn der Mascha mit seinem Gespann in Müggelheim ist, sind Kinder zum Spielen und Schmusen mit den Hunden gern gesehene Gäste. Und wenn keine Klingel da ist: Einfach an den Zaun stellen, die Hunde werden es schon richten...
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