Geschichte des Gosener Grabens – Teil 3
Neue Zeit, neuer Anlauf – diesmal mit Ergebnis
Von Harald Kampffmeyer für den Umweltkreis
Das Luftbild von Kanal und Graben stammt von 1936.
In dem Aufschwung, der 1933 begann, wurde das Kanalprojekt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme reaktiviert. Das auch vordringlich, da für Olympia 1936 die Dahmewasserstraße im Bereich Regattastrecke Grünau über Wochen gesperrt werden sollte. Man wollte den Verkehr zu Wasser von / nach Schlesien und Stettin noch einmal durch Müggelspree und Müggelsee umleiten.
Trassenführung und Profil des neuen Kanals – 35 Meter Spiegelbreite, 16 Meter Sohlebreite, 2,25 Meter Mittelwassertiefe – wurden bestimmt. Maß waren jetzt 600-t-Schiffe mit 8 Meter Breite und 1,75 Meter Tiefgang. Eine Barackensiedlung – zwei Schlafbaracken, je eine Sanitär-, Sozial- und Küchenbaracke – wurde zur Dauerunterbringung von 200 Mann Reichsarbeitsdienst auf dem Westufer des künftigen Kanals beim Brückenstandort errichtet. Baubeginn war der 10. August 1933. Zunächst wurde abgeholzt und die Brückenauflieger im Tiefbau eingebracht. Sodann wurde die Stahlbrücke an den Enden auf den Aufliegern und sonst auf dem Erdboden aufliegend zusammengenietet. Als sie fertig war, wurde der Boden unter ihr weggegraben. Der Aushub erfolgte nur durch Handarbeit mit Spaten, Schaufel und Hacke. Norm war ein Kubikmeter pro Mann pro Tag. Zur Abraumabfuhr von insgesamt 360.000 Kubikmeter wurde eine Feldbahn genutzt, die das Erdreich zur Aufschüttung nördlich der Spree zu den Rahnsdorfer Wiesen brachte. Die Flutung des nun „Gosener Kanal“ genannten Bauwerkes erfolgte im Januar 1936 durch Abspülen und Absaugen der Sandwälle an beiden Kanalenden. Übergabe an die Reichswasserstraßenverwaltung war im Februar 1936. Sodann erfolgten Widmung und Eintrag ins Verzeichnis der Reichswasserstraßen. Nun lagen neuer Gosener Kanal und alter Gosener Graben nebeneinander wie die Luftaufnahme von 1936 zeigt.
In diesem Luftbild sind unten der Seddinsee und oben der Dämeritzsee, verbunden mit dem neuen Kanal, zu sehen. Das Barackenlager links der Stahlgitterbrücke steht noch. Rechts schlängeln sich Großer Strom, Neuer Graben und Alte Spree wie immer durch offene Wiesen. Auf Höhe der Kanalbiegung ist links abgehend noch der offene Zug der Pelzlake zu erkennen.
War es das nun gewesen mit der Bedeutung des Gosener Grabens als Wasserweg? Noch nicht ganz. In den Akten des Schifffahrts- und Wasserstraßenamtes wird der Gosener Graben bis heute als nummernlose Bundeswasserstraße neben dem Gosener Kanal geführt. Dort ist auch zu finden, dass der Gosener Graben von 1964 bis 1966 hergerichtet wurde, um von Sportbooten genutzt zu werden. Den Kleinwasserfahrzeugen wurde die Passage des Gosener Kanals verboten, weil sie oft undiszipiniert den gewerblichen Schiffsverkehr behindert haben sollten. Alle Boote die in nur einen der folgenden Werte unterschritten, Länge: 6 Meter, Breite: 3 Meter und Motorleistung (oder kein Motor) weniger als 3,5 PS, mussten in den Graben. Nur, wenn der Tiefgang dieser Boote mehr als 0,8 Meter betrug, durften sie doch in den Kanal, weil der Graben zu flach war. Bis wann das galt, konnte nicht feststellt werden.
Heute verändert sich das alte Fließsystem aus Großer Strom, Neuer Graben, Alte Spree sehr schnell. Es wurde fast zum Stehgewässer, denn den Wasserhöhenausgleich zwischen Dämeritz- und Seddinsee besorgt jetzt der Gosener Kanal. Die Spülung durch starke Strömung wie in Zeiten vor dem Kanalbau ist weg. Zudem verwaldet das ehemals offene Wiesenland rapide. Umgefallene Bäume und Astabbrüche führten 2018 zur Sperrung dieser Wasserstraße.
Seit Juni 2020 dürfen kleine Boote ohne Motor den Graben wieder befahren. Aber die Verschlammung durch Biomasse und deren Sedimentierung setzt sich fort und gefährdet diese feinen Gewässer zunehmend. Fäulnisgase sind bei Sommerhitze lästig wahrnehmbar. Über längere Sicht scheint dieser Mini-Spreewald der Gosener Wiesen wohl dem Schicksal der Pelzlake zu folgen: Versumpfung, dann Auflandung, dann Wald. Bis es soweit ist, tummeln sich in den schmalen Gewässern weiter Paddler und ansonsten Kraniche, Wachtelkönig, Trauerseeschwalbe, Eisvögel, Fischotter sowie Ringelnatter, Lurche, Frösche und Mücken. Viele Mücken, sehr, sehr viele Mücken.
Für die Unterstützung in Form von Auskünften, Hinweisen, Akteneinsicht, Überlassung von Foto- und Dokumentenkopien geht Dank an: das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Berlin, H. Sühl; das Amt Spreenhagen, Herr Schneider; den Heimatverein Gosen, Frau Karasek; das Heimatmuseum Köpenick, Frau Hadyk; den Dienst ‚Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg‘; das Bezirksamt Köpenick – Fachbereich Vermessung, Frau Jäcke.