Schönefeld: Genehmigt –
aber mit Nachtflugverbot!
von Gunnar Suhrbier
Natürlich hatte auch ich etwas anderes erwartet. Das Bundesverwaltungsgericht hat die meisten Klageanträge abgewiesen und den Flughafenbau mit Auflagen genehmigt, darunter ein weitgehendes Nachtflugverbot von 0 bis 5 Uhr.
Inzwischen ist der Überraschung eine nüchterne Analyse des Erreichten gefolgt. Allerdings liegt gegenwärtig lediglich die Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes vor. Eine genauere Beurteilung wird erst möglich sein, nachdem auch die schriftliche Urteilsbegründung verfügbar ist. Doch das wird sicher noch einige Wochen dauern. Eins ist allerdings jetzt schon klar: Es gibt bei diesem Urteil keine Gewinner und keine Verlierer! Wir müssen uns wohl eher fragen, was passiert wäre, wenn wir nicht geklagt hätten. In diesem Licht erscheint mir das Urteil wie eine höchstrichterliche Bestätigung dessen, was die Gegner des Standortes in ihrem jahrelangen Kampf stets erklärt haben.
Das Gericht hat im Grunde bestätigt, dass der Standort für die Errichtung dieses Flughafenprojektes nicht geeignet ist. Es erklärte: „Der Flughafen Schönefeld ist – auch im An- und Abflugbereich – von Siedlungsflächen umgeben.“ In dieser trockenen Feststellung des Gerichtes konzentriert sich nach meiner Auffassung das ganze Problem der Standortwahl. Die Planungsbehörde habe fehlerhaft abgewogen, weil sie diesen Sachverhalt nicht ausreichend berücksichtigt, sondern einen zeitlich unbeschränkten Nachtflugbetrieb zugelassen habe. Auch habe der Vorhabenträger nicht nachweisen können, daß die Lärmschutzbelange der Nachbarschaft hinter die öffentlichen Verkehrsinteressen zurückzutreten haben. Die Festlegung von „bloßen Maßnahmen des passiven Schallschutzes“ sei daher unzureichend.
Die Verfügung eines „weitgehende(n) Nachtflugverbot(s) in der nächtlichen Kernzeit von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr“ dürfte das Vorhaben an einer empfindlichen Stelle getroffen haben. Das in diesen Tagen überall zu hörende Wehklagen darüber und die hilflosen Beschwichtigungsversuche lassen keinen anderen Schluss zu. Im Planfeststellungsantrag war der Vorhabenträger noch der Ansicht: „Ein (völliges) Nachtflugverbot ist mit der Widmung des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld als eines internationalen Verkehrsflughafens nicht zu vereinbaren.“ Die Planfeststellungsbehörde vertrat in ihrem Beschluss denselben Standpunkt: „… ein auf die Nacht … bezogenes absolutes Flugverbot ist aus Sicht der Planfeststellungsbehörde bei Abwägung der Belange des Schutzes der Bevölkerung vor Fluglärm mit den öffentlichen Verkehrsinteressen nicht angemessen.“ Nun muss sie in einem Planergänzungsverfahren die Auflagen des Gerichtes, das den Klägeranträgen in diesem Punkt folgte, berücksichtigen.
Ich vermute, dass dieses jetzt verhängte Nachtflugverbot womöglich noch das Zünglein an der Waage sein könnte – und das ist schon seit vielen Jahren bekannt. Der Vorhabenträger hat jetzt zwar eine grundsätzliche Baugenehmigung für den von ihm bevorzugten Standort. Sie entspricht in einem für ihn wichtigen Detail jedoch nicht seinen ursprünglichen Vorstellungen. Wird der BBI mit dieser Genehmigung gebaut, so gibt es später in Berlin – nach der Schließung von Tegel und Tempelhof – nur noch zwei Start- und Landebahnen, die jedoch nachts nicht genutzt werden können. Ob die Parlamente der Gesellschafter für diese Form des modernen Flugverkehrs der Weltstadt Berlin in den nächsten 50 Jahren über 3 Milliarden Euro ausgeben wollen, muss abgewartet werden.
Auch der umstrittene Lärmforscher Herr Prof. Dr. Dr. Gerd Jansen, mit dessen Ansichten der Vorhabenträger den geplanten unbeschränkten Nachtflug durchzusetzen versuchte, ist in Leipzig gescheitert. Sein seit vielen Jahren kritisiertes Konzept des Zulassens einer bestimmten Anzahl von Überschreitungen eines Maximalschallpegels in der Nacht beurteilt das Gericht so: „Die im Planfeststellungsbeschluss getroffene Maximalpegelregelung ist durch inhaltliche Widersprüche gekennzeichnet, die zur Unanwendbarkeit führen.“ Offen ist nach Ansicht des Gerichtes auch die Frage, „ob … der Schutz des Außenwohnbereichs … die Wahrung der Erholungsfunktion und die vorbeugende Abwehr von Gesundheitsbeeinträchtigungen mit einschließt.“ Wenn das von der Planungsbehörde stets hoch gelobte Lärmschutzkonzept in dieser Weise vom Gericht zerpflückt wurde, so ist auch dies eine Genugtuung für diejenigen, die den Aussagen Jansens noch nie getraut hatten. Herr Prof. Jansen wird vielleicht auch noch seine während der mündlichen Verhandlung vermutlich völlig aus der Luft gegriffene Behauptung bereuen, wegen der Lärmbelastung im Freien rechne er „nur“ bei ca. 15 % der Kinder und Jugendlichen mit Gesundheitsschäden. Eine Planung, die von vornherein Gesundheitsschäden bei Menschen einkalkuliert, dürfte wegen der Verletzung von Grundrechten womöglich auch das Bundesverfassungsgericht interessieren, was noch zu prüfen wäre.
Das nun der Behörde auferlegte Planergänzungsverfahren wird sicher solange nicht erfolgreich abgeschlossen werden können, bis das Gericht seine Bedenken ausreichend berücksichtigt sieht. Dass es dabei erneut von der Klägerseite unterstützt werden wird, steht außer Frage. Ob der Bau, wie bereits öffentlichkeitswirksam betont wurde, demnächst beginnen kann, möchte ich nicht kommentieren. Es gibt in Deutschland komplette Atomkraftwerke, die zwar gebaut, aber nie in Betrieb genommen wurden und heute z.B. als Sport- und Erholungspark genutzt werden. Vielleicht haben wir irgendwann südlich von Berlin außer der größten Industriehalle auch noch die größte Inline-Skating-Bahn der Welt!
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